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Kultur in Potsdam: Wechselbad der Gefühle

Werke, in denen Philosophen aus altpersischer Zeit die Titel tragende Rolle spielen, standen nach Bach-Stokowski im Zentrum: Kayyam und Zarathustra. Fazil Say, türkischer Pianist und Komponist, ist auch in Potsdam kein Unbekannter.

Potsdam - Die Transkriptionen Bach’scher Musik, die der Chefdirigent des Philadelphia Orchestra, Leopold Stokowski, einst für großes Orchester vornahm, kann man als eine besondere Farbe innerhalb von Sinfoniekonzerten betrachten. Hörer, die den Begriff Werktreue nicht allzu eng auslegen, hatten sicherlich am Samstag im Nikolaisaal Gefallen an der Wiedergabe von Stokowskis Bearbeitung der Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, die zu den berühmtesten Orgelwerken Bachs gehören.

Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) wartete unter der Leitung von Howard Griffiths mit großer Klangpracht auf, denn die Transkription zielt auf große Wirkung. Hervorzuheben ist, dass Griffiths die Bassregister wunderbar betonte, ohne die anderen Stimmen zu vernachlässigen, die ebenfalls akzentuiert musizierten.

Werke, in denen Philosophen aus altpersischer Zeit die Titel tragende Rolle spielen, standen nach Bach-Stokowski im Zentrum: Kayyam und Zarathustra. Fazil Say, türkischer Pianist und Komponist, ist auch in Potsdam kein Unbekannter. Die junge Musikerin Ecesu Sertensen, ebenfalls aus der Türkei, stellte Fazil Says 2011 uraufgeführtes Klarinettenkonzert „Kayyam“ vor. Der Komponist lässt ein farbiges Kaleidoskop von Bildern und Stimmungen, tonal und über weite Strecken interkulturell, vor dem Zuhörer entstehen, die Assoziationen zur Biografie und Philosophie des Persers geben. Mit Esesu Sertensen konnte eine Klarinettistin gewonnen werden, die die Schwierigkeitsgrade des Werkes bestens bewältigte, sodass sie die Zuhörer in ein abwechslungsreiches Wechselbad der Gefühle führte. Ihr zur Seite stand das wunderbar reagierende Staatsorchester unter Howard Griffiths sowie der bewegend musizierende Solocellist Thomas Georgi.

Friedrich Nietzsche beschäftigte sich mit Zarathustra und veröffentlichte seine Ansichten in dem Buch „Also sprach Zarathustra“. Darin geht es um das Werden eines „Idealmenschen“. Richard Strauss hat Ende des 19. Jahrhunderts die Monumentalität des vollen Orchesters benutzt, um die Entwicklung des besonderen Menschen musikalisch hörbar zu machen, aber es gibt in der Tondichtung auch etliche humorvolle Passagen, so mit einem Wiener Walzer, mit dem der „neue“ Mensch seine ersten Schritte unternimmt.

Griffiths hat immer wieder überzeugende dynamische Abstufungen im Visier, um einen kontinuierlichen Spannungsaufbau zu erzeugen. Der Dirigent bringt in das komplexe Dickicht Strauss’scher Musik Struktur und Transparenz. Für jede Instrumentengruppe gibt es reichlich hohe Anforderungen. Neben der feinen Klangkultur war ein schönes, klares Pianissimo genau wie ein fundiertes, kultiviertes Fortissimo zu vernehmen. Manchmal hatte man auch den Eindruck, Kammermusik zu hören, so aufeinander abgestimmt waren die Stimmen. Der Beifall des Publikums gestaltete sich zwar nicht zu einem Rausch, aber er war lang und herzlich. Klaus Büstrin

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