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Kultur: Klangreise mit originellen Zeitsprüngen Orgelsommer-Konzert mit Martin Sturm

Sie ist die einzige Barockorgel in Potsdam und setzt der reichhaltigen Potsdamer Orgellandschaft das berühmte klangliche Sahnehäubchen auf. Seit einiger Zeit ist die Grüneberg-Orgel nun in den erlauchten Spielstättenkreis des Potsdamer Orgelsommers aufgenommen und verwöhnt die Hörer durch ihren silbrigen, warmgetönten und klangprächtigen Sound.

Sie ist die einzige Barockorgel in Potsdam und setzt der reichhaltigen Potsdamer Orgellandschaft das berühmte klangliche Sahnehäubchen auf. Seit einiger Zeit ist die Grüneberg-Orgel nun in den erlauchten Spielstättenkreis des Potsdamer Orgelsommers aufgenommen und verwöhnt die Hörer durch ihren silbrigen, warmgetönten und klangprächtigen Sound. Doch eigentlich ist sie ein Findelkind. „Geboren“ wurde die Prinzessin in spe anno 1783 durch den aus Zerbst stammenden und in Brandenburg an der Havel wirkenden Johann Friedrich Wilhelm Grüneberg (1751–1808) und war für die reformierte Johanniskirche in Spandau bestimmt. Dann fand sie sich in der Dorfkirche von Bärenklau wieder, wo sie alsbald in Vergessenheit geriet. Sie war inzwischen wurmstichig und unspielbar geworden, sollte entsorgt werden. Was zu DDR-Zeiten mangels Geldes zum Glück nicht geschah. Andreas Kitschke entdeckte die Hinfällige, gewann die Potsdamer Orgelbaufirma Schuke für die entsprechende Schönheitskur, die knappe zehn Jahre dauerte. Seit 2001 steht sie strahlenden Gesichts auf der ovalen Empore der Französischen Kirche und konnte sich am Mittwoch unter den zartfühlenden Händen und Füßen von Organist, Improvisator und Komponist Martin Sturm von ihrer vorzüglichsten Seite zeigen.

„Barocke Pracht – Wie die Zeit vergeht“ nennt sich die originelle Zeitreise, die mit der Aria „Für den Augustmonat“, Nr. 8 aus Zwölf Stücke „Der Morgen und der Abend“, beginnt. Leopold Mozart und Johann Ernst Eberlin haben sie für das mechanische Hornwerk der Festung Hohensalzburg geschrieben, das sich hinter einem Holzbalkon des dortigen Krautturms befindet und der Legende nach „Salzburger Stier“ genannt wird. Diese riesige Walzenorgel, 1502 unter Erzbischof Leonhard von Keutschach errichtet, verfügt über zweihundert Pfeifen und ist das älteste noch in Betrieb befindliche Instrument. Und so hört sich die gefällige Aria denn auch wie eine, gleichwohl blankgeputzte, Drehorgel an. Abrupt folgt der Sprung ins kalte Wasser, für den John Cage mit seinem Musikstück „Organ 2/ASLSP“ aus dem Jahr 1987 sorgt, das er mit Hilfe eines Zufallsprogramms am Computer „komponiert“. Wobei die Abkürzung für „as slow as possible“ steht und den Spieler anweist, die achtseitige und in acht gleich lange Teile gegliederte Partitur so langsam wie möglich zu spielen. Bei der Uraufführung 1989 sind es 29 Minuten gewesen, während die seit 2001 andauernde Werk-Aufführung in der Halberstädter St.-Burchardi-Kirche erst im Jahr 2640 beendet sein wird. Wer nicht so lange warten will, für den spielt Martin Sturm die Parts I und VIII in jeweils vier Minuten. Dabei hält er einen vibrierenden Ton lange aus, danach folgt der nächste, dann wabbelt es in der Tiefe, geht es ab in die Höhe. Getreu von Cages ästhetischen Vorstellungen, dass die Musik nicht mehr Träger des individuellen Ausdrucks sei, stehen nunmehr der befreite Klang und seine Loslösung vom komponierenden Ich im Zentrum seines Interesses.

Ganz im Gegensatz zu den Intentionen von Martin Sturm, der in vielen Improvisationen seine Barockaffinität zu weichgetönten und gedeckten Farben nicht leugnet (Toccata et Fuga), Melancholie-Variationen vorstellt (Partite diverse sopra „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“). Drei Skizzen zaubert er ad hoc über Themen aus dem Publikum, um zum Schluss erneut der barocken Klangpracht mit Zimbelsterngeklingel, Kuckucksimitationen, Posaunen- und Trompetenregistern aufs Hörvergnüglichste huldigt.

Peter Buske

Peter Buske

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