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Joe Chialo

© IMAGO/Funke Foto Services

Joe Chialo zu Gast beim Tagesspiegel: Wider die Rechthaberei

In der Tagesspiegel-Redaktion sprach der Kultursenator über die Zeit seit seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr. Neuigkeiten von der Antidiskriminierungsklausel gab es auch. 

Schon einmal hatte Joe Chialo die Einladung zum Kulturfrühstück in der Tagesspiegel-Redaktion angenommen, musste für den 27. April 2023 dann allerdings doch noch kurzfristig absagen. Er hatte einen guten Grund: An diesem Tag wurde der Musikmanager zum Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt ernannt. Fast ein Jahr später konnte er es nun einrichten, eine Stunde lang sprach der CDU-Mann mit Tagesspiegel- Chefredakteur Lorenz Maroldt über Kulturpolitik.

Naturgemäß stand dabei auch das Wort „Bilanz“ im Raum, doch der Klang gefällt Chialo nicht. Er sei noch im „Vorwärtsgang“.

Einfach mal machen

Mangelndes Tempo kann man dem Senator in der Tat nicht unterstellen – und seine Entscheidung, im vergangenen Dezember die umstrittene Antidiskriminierungsklausel für Kulturförderung quasi im Alleingang einzuführen, darf im Nachhinein getrost als vorschnell betrachtet werden. Der Entschluss, sie nach viel Kritik genauso rasch wieder zurückzunehmen, zeugte allerdings von einer Fehlerkultur und mentalen Flexibilität, die man im Kulturbetrieb sonst mit der Lupe suchen muss.

Im Gespräch erklärte Chialo erneut, was ihn gerade bei dieser Causa so sehr angetrieben habe, nannte unter anderem den Anschlag auf die Synagoge in der Brunnenstraße und die Angst jüdischer Menschen, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen. Die vielfach geäußerten Befürchtungen, dass die neuen Regularien zu Gesinnungsschnüffelei führen und die Kunstfreiheit einschränken könnten, hätten ihn allerdings ebenfalls schwer getroffen.

Einfach mal machen, einfach mal ausprobieren – mit diesem Ansatz hat Chialo schon manches erreicht. Die Rettung der Uferhallen in Wedding zum Beispiel, wo auch dank der Vermittlung des Kultursenators nun 150 Künstlerinnen und Künstler langfristige Mietverträge für Ateliers und Proberäume unterschreiben konnten.

Wie es mit dem von Chialo als „Jahrhundertchance“ bezeichneten Projekt Zentral- und Landesbibliothek in der Friedrichstraße weitergeht, ist dagegen noch nicht abzusehen. Rechtlich, baulich und wirtschaftlich steht dem Plan, die ZLB in die aktuellen Räume der Galeries Lafayette zu verlegen, laut einem ersten Gutachten nichts im Wege. Woher das Geld dafür kommen soll, bleibt allerdings ungewiss, zumal in der angespannten Haushaltslage. Chialo sucht deshalb nach „unkonventionellen“ Finanzierungsmethoden. Eine Debatte darüber, welche Art von Innenstadt sich die Berliner für die Zukunft wünschen, hat der Vorschlag längst angestoßen.

Eine „verwaltungsübergreifende Lösung“ für die Antidiskriminierungsklausel

Auch im Gespräch mit Lorenz Maroldt warb Chialo noch mal leidenschaftlich für sein Vorhaben: „Das wäre ein Ort, an dem Berlinerinnen und Berliner aus allen zwölf Bezirken hingehen, sich bilden und auch einfach mal sein könnten, ohne dass nach fünf Minuten ein Kellner kommt und fragt, ob man noch was trinken will.“ Dass man so eine Chance nicht mit Feuereifer verfolge, stimme ihn missmutig.

In Bezug auf politische Prozesse habe er seit seinem Amtsantritt allerdings einiges gelernt, gab Chialo zu. Dinge „intern zu ermöglichen“, „in stillen Runden zu gucken, wie man Dinge umsetzen kann“, daran arbeite er nun.

Wir merken, dass ein unversöhnlicher Tonfall, eine unglaubliche Rechthaberei, eine Lust am Zerstören sehr viele Kulturinstitutionen erreicht hat.

Joe Chialo

Das betrifft mittlerweile auch die ausgesetzte Antidiskriminierungsklausel, wie der Senator in der Tagesspiegel-Redaktion bekanntgab. Unter der Führung von der Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und der parteilosen Justizsenatorin Felor Badenberg werde aktuell in Zusammenarbeit mit den Senatsverwaltungen für Inneres und Sport sowie Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eine neue „verwaltungsübergreifende Lösung“ erarbeitet.  

Dass das Thema Antisemitismus in der Kultur weiterhin eine besondere Dringlichkeit hat, ist Chialo offensichtlich bewusst. „Wir merken, dass ein unversöhnlicher Tonfall, eine unglaubliche Rechthaberei, eine Lust am Zerstören sehr viele Kulturinstitutionen erreicht hat“, erklärte er und nannte als Beispiel den Zwischenfall im Hamburger Bahnhof, wo in der vergangenen Woche eine Lesung von Hannah-Arendt-Texten abgebrochen werden musste, weil die Leiterin des Jüdischen Museums in Frankfurt von Demonstranten niedergeschrien wurde. Er sei deshalb mit den Häusern und Institutionen in ständigem Austausch und stelle für die Verantwortlichen auch finanzielle Mittel zur Verfügung, um dem Problem zu begegnen.

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