zum Hauptinhalt
Trügerische Idylle. Friedrich der Große vor der Schlacht bei Torgau, gemalt 1791 von Bernhard Rode.

©  Archiv

Kultur: „Jetzt wollen wir einen Stank lassen ...“

Wie aus Freundschaft Feindschaft wird: Friedrich der Große und die Sachsen

Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die am morgigen Sonntag zu Ende gehen, stehen in diesem Jahr unter dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“. In einer fünfteiligen Serie (Heute: Teil 5) widmen sich die PNN den mal mehr oder weniger freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen im 17. und 18. Jahrhundert

In Zeiten fast monatlich wechselnden Bündnisse galt es, auf alles gefasst zu sein. Der Einmarsch österreichischer Truppen in Bayern war ein alarmierendes Signal für Preußen und nachdem man sich den im Nymphenburger Vertrag verbündeten Mächten – wozu auch Sachsen zählte – angeschlossen hatte, wurde es Zeit, die Initiative zu ergreifen: Preußen marschierte im August 1744 in Böhmen ein, der Beginn des Zweiten Schlesischen Krieges. Nach anfänglichen Erfolgen geriet der preußische Vormarsch ins Stocken. Zu allem Überfluss wechselte Sachsen die Seiten. Doch Friedrich gewann die Schlachten bei Hohenfriedberg und Soor.

Doch Preußen hatte sich nur eine Atempause verschafft. Auf der gegnerischen Seite plante man, die Truppen Friedrichs in Böhmen durch die Österreicher aufzuhalten, während die Sachsen nach Brandenburg marschierten. Dieser Plan scheiterte jedoch an dem prahlerischen Grafen Brühl, der das Geheimnis ausplauderte. Was folgte, war die Schlacht bei Kesselsdorf unweit Dresdens, die Friedrichs General Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, auch als der Alte Dessauer bekannt, gewann. Kurz vor der Schlacht verkündete der Haudegen guten Mutes: „Jetzt wollen wir einen Stank lassen, daran sie in Sachsen noch lange zu riechen haben.“ Die Preußen siegten und schon zwei Tage später wurde Dresden besetzt.

Friedrich, der ebenfalls in Sachsen einmarschierte, wunderte sich, denn „hier ist alles besser Preussisch als Sächsisch“. Kein Wunder, August III. und Brühl waren längst nach Prag geflohen und so residierte ein preußischer König in Dresden. „Ist alle Tage Music oder Opera. ich schicke vor 100.000 Thaler porcelen nach Berlin“ – ein kleines Mitbringsel, das sich Friedrich da gönnte. Weniger gönnerhaft waren die Friedensbedingungen. Sachsen musste eine Millionen Taler Kriegsentschädigung zahlen.

Auf den Krieg folgten zehn Jahre des Friedens. In dieser Zeit ließ sich Friedrich in den Weinbergen westlich von Potsdam ein Lustschloss bauen und zerstritt sich darüber mit Knobelsdorff. Voltaire kam an den Hof und er ging wieder. Auch hier gab es Streit mit Friedrich. Zwischen den Staatsgeschäften komponierte der König und spielte Flöte unter dem gestrengen Blick von Quantz.

Derweil kannte Österreich nur ein Ziel: das aufstrebende Preußen politisch zu isolieren. Man wollte Schlesien zurück. Und wieder wartete Friedrich nicht, bis die anderen aktiv wurden. Er marschierte 1756 in Sachsen ein. Das Land war ein Puffer gegen das österreichische Böhmen und außerdem war Sachsen in den Augen Friedrichs „wie ein Mehlsack, egal wie oft man draufschlägt, es kommt immer noch etwas heraus.“ Friedrich teilte August III. mit, dass ihm nichts weiter übrig bleibe, als sein Land zu besetzen, er aber hoffe, es ihm bald zurückgeben zu können. Bereits nach wenigen Tagen residierte Friedrich im Moszinskischen Gartenpalais im kampflos eingenommenen Dresden. Und August III.? Der hatte sich aufgemacht, wie schon zehn Jahre zuvor, schnellstens nach Polen zu fliehen.

Es muss eine eigenartige Stimmung in Dresden geherrscht haben. „Dresden ließ sich ebenso leicht als gern erobern“, schrieb Horace Walpole. In der Residenzstadt sahen die Einwohner zu, wie am Elbufer Backöfen errichtet wurden, um die preußischen Truppen zu versorgen, die die eingeschlossenen sächsischen Truppen und deren Herrscher belagerten. In Dresden gab es für Friedrich einiges zu tun. Zuerst einmal wurde das Brühlsche Palais inspiziert. Als Friedrich mit seinem Stock einen Spiegel einschlug, gab er damit das Signal zur Plünderung des Gebäudes – so zumindest geht die Legende. Und es gibt noch mehr zu entdecken: die verräterische Korrespondenz des Grafen etwa, der in Friedenszeiten die preußische Diplomatenpost ausspionieren ließ. Diese wurde von Augusts Gemahlin, die in Dresden geblieben war, beschützt. Nachdem sie den Preußen den Zugang zu dem Archiv nicht verwehren konnte, setzte sie sich auf eine Kiste mit kompromittierender Post und musste mit Gewalt von dieser entfernt werden. Später wohnte Friedrich im Haus seines Intimfeindes inmitten von 1500 Perücken und 200 Paar Schuhen, ein Umstand, der ihn zu folgender Überlegung veranlasste: „Wie viel Perücken für einen Mann der keinen Kopf hat.“

In den folgenden Kriegsjahren sah es nicht immer gut für Preußen aus. Man musste sich aus Böhmen zurückziehen, bald war auch Schlesien in österreichischer Hand, feindliche Truppen besetzten für einen Tag Berlin. Doch dann besiegte Friedrich bei Roßbach die Franzosen und die Reichsarmee. Letztere wurde daraufhin zur „Reißausarmee“ und überall waren die Verse zu hören: „Und kommt der große Friederich, und klopft nur auf die Hosen, dann läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und Franzosen.“

Als 1758 die Österreicher auf Dresden zumarschierten, hielt der Kommandant von Schmettau das Niederbrennen der Vorstädte für eine adäquate Lösung. Kein Wunder, dass die Bevölkerung das ganz anders sah. Obwohl die Belagerer auf eine Erstürmung verzichteten, zündeten die Preußen dennoch die Vorstädte an. Die Belagerung wurde aufgegeben und Friedrich verbrachte den Winter in Dresden. Während der Kriegshändel fand der König immer noch Zeit, sich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern. So ist es ihm eine Herzenssache, seiner Garde die Schlösser von Brühl „zum Ausräumen“ zu überlassen. Dieses Schicksal ereilte Nischwitz und Groschwitz. Brühls neugebautes Schloss in Pförten bedurfte ganz besonderer Aufmerksamkeit. Plündern reichte nicht, es wurde niedergebrannt.

Dann kam es zur Schlacht bei Kunersdorf nahe Frankfurt/Oder. Russen und Österreicher hatten sich vereinigt und Friedrichs Truppen wurden besiegt. Doch die Sieger waren sich uneins und so blieb der Marsch auf Berlin aus. Das „Mirakel des Hauses Brandenburg“ nennt Friedrich dieses Ereignis in einem Brief an seinen Bruder Heinrich.

Auch die preußischen Besatzer in Dresden mussten im September 1759 kapitulieren. Es war eine Kapitulation, die sich sehen lassen konnte, zumindest für die Preußen. In voller Bewaffnung zog man ab, im Gepäck noch fünf Millionen Taler an Kontributionsgeldern. Und bald schon standen die Preußen wieder vor Dresden und da man es nicht erobern konnte, errichtete man das Winterlager in der Nähe. Bei der Bombardierung im folgenden Jahr wurde Dresden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im Oktober 1760 besetzten feindliche Truppen Berlin und Potsdam; in Berlin fiel Schloss Charlottenburg in die Hände der Plünderer.

Im Februar 1763 kam es endlich zu Friedensverhandlungen im Jagdschloss Hubertusburg. Viel mehr als eine Hülle war von dem einst stolzen Gebäude nicht übrig. Friedrich hatte die Plünderung als Vergeltung für Charlottenburg bereits 1761 befohlen. Neben der Kupfereindeckung des Daches wurde selbst das Blattgold von den Türklinken gekratzt. So musste das Mobiliar für die Verhandlungen aus dem Umland herangeschafft werden. Auf die Frage, was „Eure Majestät mit uns armen Sachsen“ mache, antwortete Friedrich „Ich gebe euch euer Land wieder.“ Das war bestimmt nicht das, was die sächsischen Delegierten hören wollten, aber es traf den Nagel auf den Kopf. Letztlich erhielt Preußen Schlesien und Sachsen nichts. Laut eigenen Angaben hatte Friedrich rund 50 Millionen Taler aus dem Land gepresst. Und noch während seines Aufenthalts im sächsischen Dahlen schrieb er an den Marquis d’Argens: „Die Sachsen betrachten die Rückkehr ihres Königs als ein öffentliches Unglück.“

Im Oktober starben August und Brühl. Und aus Friedrich dem Großen war der Alte Fritz geworden.

Andreas Dubslaff, geboren in Potsdam, ist Kunsthistoriker und lebt in Dresden

Andreas Dubslaff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false