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Jahresrückblick 2017: Theater in Potsdam: Zarte, wilde Spiellust

Viele Inszenierungen am Hans Otto Theater bleiben nachhaltig. Leider gibt es im Jahr 2017 auch Abschiede.

HÖHEPUNKT

Es gab 2017 einige Inszenierungen, die hier infrage kämen – das fein gearbeitete „Goldene Vlies“, der konsequente, menschliche „Homburg“, das zarte „Gehen und Bleiben“. Der eine, uneingeschränkt begeisternde Höhepunkt aber ist Woitek Klemms „Die schönen Dinge“ nach Virginie Despentes. Weil das Theater sich hier an eine zeitgenössische Vorlage traut. Weil das Stück sich traut, eine radikal weiblich Perspektive einzunehmen – ohne dass es behaupten würde zu wissen, was das ist: weiblich. Weil Nina Gummich sich hier nochmal um Kopf und Kragen spielt, singt, rappt. Zu sehen ist die Inszenierung noch einmal am 21. Januar 2018 um 18 Uhr in der Reithalle – auch eine Möglichkeit Nina Gummich zu erleben, bevor sie das Theater verlässt.

TIEFPUNKT

Unvermeidbar, tut aber trotzdem weh: als Potsdams zukünftige Intendantin Bettina Jahnke verkündet, wer nicht im neuen Ensemble sein wird. 15 Spieler gehen, darunter Rafael Rubino, Nina Gummich, Bernd Geiling, Marianna Linden. Noch ein Tiefpunkt: Ende November gibt Lea Rosh Einblick in die Arbeitsweise der Findungskommission unter Oberbürgermeister Jann Jakobs, in der sie selbst war: Zeitknappheit, keine Möglichkeit, Inszenierungen der Kandidaten vorab zu sehen. Eine „Lachpille“, sagt Rosh. Jakobs schweigt. Inszenatorischer Tiefpunkt: „Dogville“ nach Lars von Trier. Wenn das Böse so gut erkennbar wäre wie in der Inszenierung von Christoph Mehler, wäre es weder interessant, noch gefährlich.

ENTDECKUNGEN

Es gibt zwei. Erstens: Rio Reiser kann auch im Stadttheater funktionieren! Zumindest wenn er wie in Frank Leo Schröders Inszenierung „König von Deutschland“ von Moritz von Treuenfels verkörpert wird. Wie die Musik ihn durchzuckt, die Glieder zappeln, er sich Reisers Lieder aus der Seele holt: großartig. Weniger Musical als Konzert. Die zweite Entdeckung 2017 ist er, Moritz „Rio“ von Treuenfels. Schon im „Nathan“ platzte er schier vor Spiellust, im „Homburg“ zeigte er, wie seine Rolle ihn körperlich in Besitz nahm. Als Rio geht er noch einen Schritt weiter: Rio ist er. Zu sehen in dieser – seiner – Rolle noch bis März 2018. Die meisten Vorstellungen sind allerdings schon ausverkauft.

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