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Kultur: In Arkadien

Rolf Thomas Senn würdigt Friedrich Wilhelm IV

Acht Jahre nach seiner Thronbesteigung meinte der preußische König Friedrich Wilhelm IV.: „Anfangs wollten mich die Berliner vor Liebe auffressen, jetzt bedauern sie, dass sie es nicht getan haben.“ Das schrieb er im März 1848. Eine politisch bewegte Zeit. In Europa gärte es, auch in Preußen. Enttäuschte politische Hoffnungen, soziale Spannungen, hohe Arbeitslosigkeit bereiteten den Boden für eine Revolution. Zu den Forderungen der Revolutionäre gehörten Pressefreiheit, Schwurgerichte, Ministerverantwortlichkeit, Parlamente, ein auf die Verfassung vereidigtes Militär, die nationale Einigung der Fürstentümer zu einem Deutschen Bund. Nach anfänglichen großen Erwartungen, die die Liberalen an Friedrich Wilhelm IV. hegten, wurden sie enttäuscht. Als König war er von seinem Gottesgnadentum zutiefst überzeugt. Solch eine Herrschaftskonzeption sollte ihn vor allen anderen Menschen herausheben. Und somit war eine Politik der Restauration nicht mehr weit entfernt. Als Politiker machte Friedrich Wilhelm IV. keine besonders gute Figur, lieber wäre er auch Künstler geworden. Sein Grundimpuls war der eines Zeichners und Architekten, aber auch der eines Mäzens. Ein Arkadien, in dem man glücklich leben konnte, war der Wunsch des tief gläubigen Königs.

„In Arkadien – Friedrich Wilhelm IV. von Preußen“ nennt der Berliner Kunsthistoriker Rolf Thomas Senn sein neues Buch, das im Lukas Verlag Berlin erschien. Den Untertitel nennt er „Eine biographische Landvermessung“. Wie auf einem Papyrus werden „Linien, Felder, Zeichen sichtbar, und von jedem Punkt gibt es mannigfache Abzweigungen“. Damit will der Autor deutlich machen, dass er keine herkömmliche Biografie verfassen, sondern dem „Romantiker auf dem Thron“ in seinen künstlerischen Ambitionen intensiv auf die Spur kommen wollte. Der König war ein Freund und Ausführender der bildenden Kunst, der Literatur, der Philosophie, der Theologie und liebte die Musik. Sein Anliegen war, durch die Kunst den Staat neu zu gestalten. Das architektonische Bild von Potsdam und auch Berlin gibt davon äußerlich Kunde.

Das politische Geschehen jener Zeit lässt Senn zwar nicht aus, es bestimmt aber auch nicht vordergründig das Buch, an dem er ein gutes Jahrzehnt arbeitete. Man bewundert, wie bereits in seinem Buch über die erste Preußenkönigin Sophie Charlotte, die ebenfalls eine engagierte Förderin von Kunst und Wissenschaften war, die aufwendige und gründliche Recherchearbeit und den Kenntnisreichtum. Er liefert eine umfassende preußische Kulturgeschichte der Zeit, als Friedrich Wilhelm Kronprinz und König war. Die Fülle des Materials und das Mitteilungsbedürfnis des Autors scheinen fast überbordend zu sein, sodass die vielen Namensnennungen, die Querverbindungen und Bezüge auch verwirren.

Rolf Thomas Senn hat besonders den schriftlichen Nachlass des „Romantikers auf dem Thron“ ausgewertet. Dazu gehören auch die 7000 Zeichnungen, die zu den Sammlungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg gehören. Friedrich Wilhelm war regelrecht besessen vom Zeichnen. Da warf er Entwürfe von Architekturen aufs Blatt oder gab von ihm besuchte und erträumte Landschaften wieder. Oftmals hat er sich auch selbst porträtiert: als Auferstandener, bei der Ariost-Lektüre, gemeinsam mit Sarastro aus der „Zauberflöte“. Das Buch ist eine bereichernde und wertvolle Auseinandersetzung mit einem künstlerisch begabten König, der Potsdam neben Friedrich dem Großen am stärksten geprägt hat. Klaus Büstrin

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