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Kultur: Im Zirkus mit Marilyn Monroe

Zur Eröffnung der Sam-Shaw-Ausstellung im Filmmuseum kam auch die Tochter des Fotografen

Als Edie Shaw Marcus zehn Jahre alt wird, will ihr Vater, der berühmte Hollywood-Fotograf Sam Shaw, ihr einen Besuch im Zirkus schenken. Davon erzählt er beiläufig Marilyn Monroe, die er nicht nur sehr oft fotografiert, sondern mit der er auch befreundet ist. Und die sagt prompt: „Oh, bitte lass mich mit ihr gehen!“ Denn sie und das Mädchen haben zufällig am selben Tag Geburtstag. „Und so feierte ich mit ihr allein im Zirkus“, erzählt Marcus, als sie kurz vor Eröffnung von „Sam Shaw – 60 Jahre Fotografie“ im Filmmuseum am Freitag durch die noch menschenleere Ausstellung läuft. Sie erinnere sich noch gut daran, wie es war, als sie und ihr Vater die Schauspielerin am 1. Juni 1955 in der 5th Avenue in Manhattan abholten: „Sie war wunderschön in ihrem weißen Kleid – für mich sah sie aus wie ein Engel.“ Wie ein Kind freut sich Marilyn über die Clowns und Artisten im Zirkus und schenkt Edie am Ende des Tages eine ihrer Armbanduhren. „Sie war unglaublich liebenswürdig“, sagt Marcus.

Edie Shaw Marcus – selbst studierte Fotografin – verwaltet zusammen mit ihrer Schwester Meta Shaw Stevens und den Enkeln Melissa Stevens und David Marcus den fotografischen Nachlass ihres Vaters, die Shaw Family Archives. Gemeinsam sind sie nun auch nach Potsdam gekommen. Über den Andrang – der Kinosaal ist voll besetzt – freut sie sich sichtlich. „Anders als in Amerika interessiert man sich in Europa auch immer für die Arbeit der Menschen hinter der Kamera, nicht nur für die Stars“, sagt sie. Das gefalle ihr. Und teilt an diesem Abend mit Begeisterung ihre Erinnerungen an den Fotografen und die Menschen, die er ablichtete.

So habe Sam Shaw etwa Privatleben und Arbeit nicht getrennt. Mit fast allen Stars, die auf den Fotos zu sehen sind, sei er auch befreundet gewesen, seine Kinder habe er überall mit hingenommen, erzählt Marcus. Und dementsprechend wirkt es, als ob sie Ausstellungsbesucher durch ihr Wohnzimmer führe, während sie auf Audrey Hepburn, Marlon Brando oder Sophia Loren zeigt. Fast beiläufig erwähnt sie ihre Kontakte zu den noch Lebenden, Debbie Harry zum Beispiel, deren Schönheit und Ausstrahlung ihr Vater mit der Monroes verglichen habe.

Die Stars, die Shaw fotografierte, habe er niemals als unerreichbare Persönlichkeiten behandelt, sagt seine Tochter: „Für ihn machten sie einfach nur ihren Job.“ Warum sie ihm vertrauten, erklärt sie mit folgendem Beispiel: Als Marilyn starb, habe Sam Shaw sich vor allem an die schönen Momente mit ihr erinnert. Etwa daran, dass er sie als seinen „Chauffeur“ bezeichnete – sie habe ihn oft mit dem Auto zu Terminen gefahren, weil er selbst ungern am Steuer saß. „Er hat immer die positiven Seiten gesehen. Er mochte es nicht, über ihren Tod zu sprechen, aber sehr wohl über ihr Leben.“ Es sei für ihn wichtiger gewesen, wie sie lebte, nicht, wie sie starb. „Ihren Todestag hat er nie begangen, aber ihren Geburtstag.“ Auch über vermeintliche Skandale habe er nie gesprochen – nur mit dieser Diskretion sei es möglich gewesen, den Stars so nahe zu sein.

Wird Edie Shaw Marcus nach ihren Lieblingsbildern in der Ausstellung gefragt, offenbart auch das vor allem etwas über den Vater. Dann zeigt sie auf Fotos, die dieser besonders mochte. Und die erinnern an seine Anfänge als Fotograf, als er das Leben einfacher Arbeiter festhielt. Wie das einer Farmerin aus Missouri, die mit traurigen Augen in die Kamera blickt. Sam Shaw habe oft über dieses Bild gesprochen, weil die Arbeiterin trotz ihrer offensichtlichen Armut große Würde ausstrahle. Und auch Enkelin Melissa Stevens erzählt später den Gästen, dass Shaw sich Zeit seines Lebens für die ganz einfachen Menschen interessiert habe.

Hört man Edie Shaw Marcus zu, hat man den Eindruck, sie mache nichts anderes, als die Ausstellung durch ihre Geschichten zu bereichern. Doch heute in Potsdam zu sein, das sei nicht alltäglich, denn normalerweise habe sie keine Zeit, mitzureisen. Wenn die Bilder im Sommer in Oberhausen gezeigt werden, wird sie bereits wieder in den USA sein. Leider habe sie es nicht in die Filmstudios in Babelsberg geschafft, doch das Museum Barberini habe sie sich angesehen: „Weil es der erste Ort gewesen wäre, den mein Vater besucht hätte.“ Andrea Lütkewitz

Andrea Lütkewitz

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