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Kultur: Ich sehe was, was du nicht siehst ... fabrik-Workshop lehrt, sich Tanz zu erschließen

Oft hinterlässt zeitgenössischer Tanz ratlose Gesichter. Sich über eine Aufführung zu äußern, fällt vielen schwer.

Oft hinterlässt zeitgenössischer Tanz ratlose Gesichter. Sich über eine Aufführung zu äußern, fällt vielen schwer. Meist bleibt nur das Fazit: Das war toll oder eben nicht. Damit wollte sich die fabrik nicht begnügen und gründete ihre Zuschauerschule. Dort sitzen sich Besucher und Künstler gegenüber: auf einer Augenhöhe. Berührungsängsten wird der Garaus gemacht, der Besucher ermuntert, dem eigenen Urteil zu vertrauen. 70 Mitglieder hat inzwischen diese Schule: ein Stammpublikum, das die fabrik besonders pflegt.

Doch damit nicht genug: Nun soll sich anlässlich der Freitag beginnenden „Herbstleuchten“ ein spezieller Workshop um die sieben dort gezeigten Arbeiten ranken und den Tanz noch besser sehen lehren. Constanze Klementz, die zehn Jahre Ballettschülerin war, dann Theaterwissenschaft und Philosophie studierte und inzwischen Kritiken über zeitgenössischen Tanz schreibt, leitet diesen „Schau-Room“. „Meist ernte ich betretenes Schweigen, wenn ich über meine Arbeit erzähle. Viele scheint der Tanz zu verkopft und abstrakt. Dabei ist kaum etwas konkreter und uns auf den ersten Blick näher als der menschliche Körper.“ Gerade als Rezensentin fühle sie sich oft wie eine Übersetzerin, von der erwartet wird, dass sie den Geheimcode des Choreografen knackt. „Dabei geht es doch immer um die eigene Wahrnehmung und nicht darum: Was will der Künstler uns sagen. Viele erwarten große Geschichten, wie beim Film oder Theater, doch der zeitgenössische Tanz entwickelt sich zunehmend weg von der ornamentalen Technik, zeigt viel öfter Dinge, die fast alltäglich sind.“

Und um Auge und Hirn genau dafür zu sensibilisieren, möchte sie mit den Workshop-Teilnehmern eine einfache Übung starten: „Wir gehen mitten hinein in die Stadt, dort wo Bewegung stattfindet, die wir mitunter gar nicht mehr wahrnehmen. Eine Minute soll jeder genauer schauen und danach den anderen mitteilen, was er gesehen hat. Ich bin mir sicher, dass bei fünf Leuten fünf komplett unterschiedliche Minuten herauskommen. Denn jeden fesselt etwas anderes.“

Und dieses genauere Hinschauen und präzise darüber Sprechen, soll dann auch bei den Aufführungen von „Herbstleuchten“, den Arbeitsergebnissen von Residence-Teilnehmern, angewendet werden. Die Hoffnung der fabrik ist es, dass auch Leute zu dem Workshop kommen, die sich bisher nicht mit zeitgenössischem Tanz beschäftigt haben und die die Bewertungsskala von gut oder schlecht, verstehen oder nicht verstehen, aufbrechen lernen. „Das ist leichter, als man denkt. Man muss sich bloß von dem Anspruch lösen, alles verstehen zu wollen. Wichtiger ist es, über die eigene Art zu sehen, nachzudenken“, so Constanze Klementz.Heidi Jäger

Information und Anmeldungen unter Tel. 0331-2800314.

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