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Entfesselte Bestie in weißem Kleid: Der Samurai (Pit Bukowski)

© Tsp

Filmkritik: "Der Samurai": Horror-Trash aus deutschem Walde

Das Berliner Filmkollektiv „Schattenkante“ steht auf Horror – und schuf den herrlich blutigen Film „Der Samurai“. Der beweist, dass kreativer deutscher Genrefilm möglich ist. Mit Blick auf seine Produktionsbedingungen beweist er noch einiges mehr.

Der einsame Krieger kommt aus dem Wald. Er trägt ein weißes Kleid zum wallenden blonden Haar und ist mit einem Schwert bewaffnet. Er hinterlässt eine Schneise der Verwüstung, köpft Gartenzwerge und bald auch Menschen. Und dennoch fühlt sich der schüchterne Dorfpolizist Jakob seltsam hingezogen zu diesem wölfisch grinsenden Finsterling. „Der Samurai“ von Regisseur Till Kleinert - der in der Perspektive läuft - ist ein freudianisch aufgeladener, trashiger Horror-Thriller, den man einem hiesigen Talent so kaum zugetraut hätte. Die Geschichte der entfesselten Bestie sprengt mit ihrer wilden Fantasie den Vorgartenhorizont der meisten deutschen Produktionen.

Das mag daran liegen, dass hinter diesem Film ein Kollektiv steht. Es nennt sich „Schattenkante“ und besteht aus der Produzentin Anna de Paoli sowie den Regisseuren Linus de Paoli und Till Kleinert. Zusammengefunden haben sie sich während des Studiums an der DFFB. Zunächst mal wegen gemeinsamer Filmvorlieben: „Till und ich wurden von manchen etwas abschätzig die Comic-und-Horror-Fraktion genannt“, amüsiert sich Linus de Paoli. Vor allem aber teilten sie das Bedürfnis nach einem künstlerischen Austausch, der sie weiterbringen könnte als der gängige Einzelkämpferweg. „Vernichtendes Feedback kann man sich an der Filmhochschule von vielen Seiten abholen“, so Kleinert. „Wichtig ist, dass man sich die Leute aussucht, von denen man Kritik wie Lob wirklich annehmen will“.

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Seit 2005 existiert das Kollektiv, dem ursprünglich noch zwei weitere Kommilitoninnen angehörten. Die Devise lautete dabei von Beginn an: „Volle Kraft in ein Projekt“, beschreibt Anna de Paoli, anstatt mehrere „Eisen im Feuer“ zu haben. Als Kleinert während des Studiums seinen Film „Cowboy“ realisierte, war Linus de Paoli als Regieassistent am Set und stellte dafür eigene Vorhaben hintan. Umgekehrt half Kleinert, als de Paoli „The Boy who wouldn’t kill“ inszenierte. Seine Freundin Anna (die denselben Künstlernamen trägt) war als kreative Produzentin durchweg an der Stoffentwicklung beteiligt. „Der Beweis“, sagt sie, „dass Produzenten an der Filmhochschule nicht einfach Produktionsleiter mit etwas mehr Entscheidungsbefugnis sein müssen.“ Beide Kurzfilme wurden mehrfach prämierte Festivalerfolge.

Das Kollektiv versucht, klassisches Egotrippertum der Filmschulen zu umgehen

Versuche, das künstlerische Egotrippertum an Filmschulen zu unterlaufen, gab und gibt es in Deutschland und anderswo immer wieder. Ein Beispiel ist die österreichische Independent-Initiative „coop99“, die unter anderem von den Filmemacherinnen Barbara Albert und Jessica Hausner gegründet wurde. Auch das „X-Filme“-Team um Tom Tykwer, Wolfgang Becker und Produzent Stefan Arndt ist ja mal mit dem Anspruch gestartet, der neue Filmverlag der Autoren zu werden.

Ein Kollektiv für den "Samurai": Till Kleiner, Linus und Anna de Paoli (von links)

© Georg Moritz

Wie weit der Glaube an die eigene Kunst tragen kann, hat nicht zuletzt Linus de Paolis Abschlussfilm „Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln“ bewiesen. Unter anderem wirkt darin die wunderbare Amanda Plummer mit. Die hatten die Jungfilmer als Juryvorsitzende auf einem spanischen Fantasy-Festival kennengelernt. Der vom „Schattenkante“-Enthusiasmus ernsthaft entflammte Hollywoodstar ließ sich per Economy Class einfliegen und stand vier Wochen praktisch ohne Gage vor der Kamera. „Dr. Ketel“ ist bemerkenswertes, hochartifizielles Kino geworden.

Freilich, es gibt auch die Schattenseiten der „Schattenkante“. Spätestens seit dem zähen Ringen um die Finanzierung des „Samurai“, Kleinerts Abschlussfilm, sind die DFFB-Absolventen in der Realität ihrer Branche angekommen. Da hörten sie, als es um eine mögliche Senderbeteiligung ging, ihr Projekt sei mit den „öffentlich-rechtlichen Geschmacksvorgaben“ unvereinbar. Vielleicht, weil am Ende ein erigierter Schwanz zu sehen ist? Da mussten sie zwei Wochen vor Drehbeginn eine Budgetlücke von 30000 Euro schließen, weil die Förderung vom Medienboard geringer ausgefallen war als benötigt. Und nicht zuletzt ist aus dem Kollektiv mittlerweile auch die Produktionsfirma „Schattenkante“ geworden. Was pragmatischen Zwängen folgt – und mit höherer Verantwortung und eigener Haftung verbunden ist. „Der Kampf besteht darin, den Idealismus ins bestehende System zu retten“, sagt Linus de Paoli.

8.2., 23 Uhr (Cinemaxx 1), 12.2., 23 Uhr (Cinemaxx 1)

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