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Kultur: Hinter den Fassaden

Filmpremiere und Ausstellung am Schlaatz

„Vom Sumpf umgeben“, so lautet übersetzt der Name eines der jüngsten Neubaugebiete Potsdams. 1987 wurde der Schlaatz fertiggestellt und bot damals für rund 15 000 Wohnungssuchende zeitgemäße Wohnungen. Zwei Jahre später kam die politische Wende und fast die Hälfte der Bewohner verließ seitdem die „Platte“. Heute leben dort wieder 8747 Menschen, also rund sechs Prozent der Potsdamer Bevölkerung. Der Schlaatz gehört zu den am meisten beschriebenen Potsdamer Wohngebieten, nicht immer waren es positive Schlagzeilen, die ihn ins Blickfeld rückten.

In jüngster Zeit erkundeten Künstler „von außen“ den Stadtteil. Jetzt realisierte Ute Parthum gemeinsam mit anderen Akteuren in der dort ansässigen Medienwerkstatt vor Ort die Idee, Menschen, die am Schlaatz leben und arbeiten, in einem Dokumentarfilm selbst zu Wort kommen zu lassen. Am Freitagabend wurde das Projekt „Menschen am Schlaatz“, zu dem auch eine Fotoausstellung gehört, im Bürgerhaus präsentiert.

Im Foyer des modernen Stadtteilzentrums fielen sofort die zwölf großformatigen Porträts von Mario Hoffmann ins Auge.„Die Farbe des Schlaatz?“ ist unter dem Bild einer jungen Frau zu lesen. Ihre Antwort darauf lautet: Die Platte ist grau und quadratisch, selbst wenn sie angemalt ist. Zwei ältere Leute sprechen von ihrer Wohnung als „Schnarchsilo“ und eine dunkelhäutige Frau berichtet, dass sie und ihre Kinder von den Verkäufern im Supermarkt argwöhnisch beim Einkaufen beobachtet werden. Also doch nichts Neues am Schlaatz? Mitnichten. Denn die erste Frau sagt auch, dass es die Farbe des Himmels ist, die den Stadtteil dominiert, zwei andere beschreiben das Grün vor ihren Fenstern als sehr wohltuend und viele der Befragten fühlen sich hier wirklich zu Hause. Dieselben Menschen, die auf den Fotos zu sehen sind, werden auch im Film gezeigt. Junge und Alte, Deutsche, Russen und Afrikaner, Hausfrauen, Berufstätige und Auszubildende. Leider fehlen Kinder und Menschen vom Rand der Gesellschaft. Sie kommen selbst nicht zu Wort.

Die anderen öffnen dem Filmteam um Ute Parthum (Kamera: Robert Lucas, Schnitt: Antje Stein) bereitwillig ihre Wohnungstüren. Und erzählen von ihren Wünschen und Träumen, ihren alltäglichen Sorgen und Kümmernissen. Der Zuschauer kann für einen Moment teilnehmen am Leben der Bühnenmalerin Irina M., des jungen Vaters Marcel oder des evangelischen Stadtteil-Diakons Matthias S.. Er lernt den ehemaligen Schulleiter und passionierten Schachspieler Manfred N. kennen und kriegt die kunstvoll gestaltete Wohnung des ehemaligen Stuckateurs Rudolf M. zu sehen. Überhaupt die Wohnungen. Keine gleicht der anderen. Liebevoll pflegen die Bewohner ihre persönlichen Hobbys und gestalten vielfarbig und sehr individuell ihre „zweite Haut“, so dass nicht nur aus diesem Grund hinter den normierten Plattenbau-Fassaden eine spannende Wirklichkeit zu finden ist.

Die zeigte sich auch sehr berührend in den Geschichten und Gedichten von Migranten, die auf der Projektpräsentation von Natalia Gorbatyuk und Antje Horn-Conrad vorgetragen wurden. Sie entstanden in einer, von beiden Frauen angeleiteten Schreibwerkstatt des Hauses der Generationen und Kulturen am Milanhorst und sollen demnächst auch in Buchform erscheinen. Den einfühlsamen Film, der auch die Probleme des Stadtteils nicht ausspart und völlig unverkrampft die Geschichten seiner Protagonisten erzählt, kann man hingegen noch bis 1. August täglich im Bürgerhaus am Schlaatz ansehen. Die gelungene Fotoschau ist als Wanderausstellung konzipiert und kann kostenlos im Bürgerhaus ausgeliehen werden.

Astrid Priebs-Tröger

„Menschen am Schlaatz" mit Filmvorführung bis 1. August, werktags von 9 bis 18 Uhr im Bürgerhaus am Schlaatz.

Astrid Priebs-Tröger

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