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Die Kaiserin als Herrenreiterin in „Sisi und ich“ von Frauke Finsterwalder.

© ©2021 Walker+Worm Film GmbH & Co. KG/ photo:Bernd Spauke

Herrische Herrscherin: Susanne Wolff als Kaiserin Sisi auf der Berlinale

Mal Charmeurin und mal Eiskönigin. Susanne Wolff spielt in „Sisi und ich“ von Frauke Finsterwalder eine bezwingende Kaiserin. Eine Begegnung.


Groß, bestiefelt, schwarz gewandet – die Schauspielerin Susanne Wolff ist eine Erscheinung. Die aufrechte Körperhaltung passt in die repräsentative Aura des Cafés im Hamburger Bahnhof. „Es war in ihrer Gegenwart, als sei alles Licht der Welt auf einen gerichtet“, sagt die Hofdame Irma Gräfin von Sztáray über die Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn. Über jene Figur, die Wolff in Frauke Finsterwalders Drama „Sisi und ich“ spielt, das im Panorama der Berlinale uraufgeführt wird. Wobei als Ich-Erzählerin Sandra Hüller in der Hofdamen-Rolle fungiert, die sich mit Wolff ein schauspielerisches Gipfeltreffen liefert.

„Sisi und ich“ nach einem Drehbuch der Regisseurin Finsterwalder und ihre Ehemannes Christian Kracht, markiert den vorläufigen Endpunkt der Sisi-Welle, die in den vergangenen beiden Jahren zwei Serien, Dokumentarfilme, Marie Kreutzers Kinofilm „Corsage“ und Karen Duves Roman „Sisi“ hervorgebracht hat. Ob Susanne Wolff wohl eine Idee hat, woher diese aristokratische Ballung, die anhaltende Faszination der Habsburger Monarchin rührt? „Nein“, antwortet die Schauspielerin bündig.

Susanne Wolff hat auch auf der Bühne vielfach Königinnen und Adelsdamen verkörpert.

© Sebastian M. Purfürst

Das lässt Zeit, sich den Button an ihrem Revers genauer anzusehen, auf dem „Ej!“ steht. Sie habe sich vor der Anfrage von Frauke Finsterwalder kaum für Elisabeth von Österreich-Ungarn interessiert, erzählt Wolff. „Ich weiß durch Serien wie ‚The Crown‘ viel mehr über den Buckingham Palace als über Kaiserin Elisabeth.“ Tatsächlich führt von der historischen Sisi ein kurzer Weg zur gegenwärtigen populären Spielwiese royaler Fantasien, die im Kino letztens in Pablo Larraíns Psychodrama „Spencer“ über die depressive Prinzessin Di mündete.

So ein Hang zur Verehrung, wie ihn Sisis Zeitgenossen schon im 19. Jahrhundert an den Tag legten, die die Herrscherin wie einen Popstar verehrten, liegt Wolff gänzlich fern. Allerdings hat sie eine lebendige Erinnerung an Romy Schneider in Ernst Marischkas Sissi-Filmen der fünfziger Jahre. Diese Kostümträume haben den romantischen Mythos überhaupt erst geschaffen. „Romy Schneiders Lachen, ihre Verschmitztheit, ihre Zugewandtheit, gepaart mit Skepsis, das war sehr einnehmend“, sagt Wolff.

Den frischen Blick auf die historische Figur zu suchen, den modernen Zugriff auf ein Frauenleben, dessen Glamourfaktor so groß ist wie die Not, als Mensch das spanische Hofzeremoniell zu überleben, das reizt die Regisseurin Finsterwalder ebenso wie zuvor Marie Kreutzer in „Corsage“. „Sisi und ich“ zeigt Elisabeths späte Jahre, als sie kaum mehr am Wiener Hof weilt, sondern ihre Zuflucht in rastlosen Reisen nach England und Algerien sucht und auf Korfu im Kreis ihrer Hofdamen lebt. Die Lesart, dass es sich um feministische Neuinterpretationen des Kaiserinnenlebens handelt, hat schon bei „Corsage“ nicht wirklich gestimmt.

Die Kaiserin (Susanne Wolff) und ihre Hofdame Irma (Sandra Hüller) auf Korfu.

© ©2021 Walker+Worm Film GmbH & Co. KG/ photo:Bernd Spauke

Und auch „Sisi und ich“ zeigt keine Frauenrechtlerin, sondern eine mit Frauen flirtende, launische Egozentrikerin, die ihre Machtposition hemmungslos ausnutzt. Oder wie Susanne Wolff es ausdrückt: „Wie kann es in so einer Ultra-Hierarchie Feminismus geben?“ Die hippe Zuschreibung trifft für sie nur in einer Szene zu: „Als Sisi sich von ihrer Hofdame Fritzi verabschiedet, weil sie Irma mit auf Reisen nimmt, spricht sie ihr eine Apanage zu, damit Fritzi nicht heiraten muss: das ist der Inbegriff einer feministischen Handlung“.

Kaiserliche Privatheit spielen

Auch eine modern aufgefasste Kaiserin braucht jedoch eine Aura, einen Nimbus. Wie lässt sich das spielen, ohne ins Bürgerliche abzurutschen, Frau Wolff? Da muss die Schauspielerin lachen. „Das war in der Tat etwas, dass mich im Vorhinein beunruhigt hat: Wie stellt man kaiserliche Privatheit dar? Ich komme ja aus keiner kaiserlichen Familie.“ Der strenge Rahmen höfischer Etikette ist in „Sisi und ich“ kaum gegeben, ja selbst die zeittypischen Korsetts weichen auf Korfu locker fließenden Gewändern, in die die Kaiserin sich und ihre Damen hüllt. Wolff hat schließlich einen Weg gefunden. „Ich habe versucht, die innere Souveränität der Kaiserin durch Ruhe zu ersetzen.“

Dass die 1973 in Bielefeld geborene Schauspielerin als Bühnendarstellerin vom Hamburger Thalia Theater über das Deutsche Theater bis zu den Salzburger Festspielen vielfach Adelsdamen und Königinnen verkörpert hat, tut ein Übriges. „Die Bühne trägt mit Sicherheit zu einer inneren Aufrechthaltung, zu einer gewissen Raumverdrängung bei.“ Tatsächlich ist das bezwingend distanzierte Charisma, das Wolff ihrer Figur verleiht, ein klasse Gegenstück zur hemdsärmeligen Unbekümmertheit, mit der Sandra Hüller Sisis Widerpart Irma spielt.

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Weder Hüller noch Wolff durften sich vor dem Dreh über die Kaiserin belesen, deren Haarpracht ebenso legendär war wie ihr Diätwahn und ihre Fitness-Begeisterung. Und sie mussten vor dem Dreh Kilos verlieren, was laut Wolff auch Diskussionen mit der Regisseurin auslöste. „Wir wollten zuerst nicht, dass dieses extreme Bestreben nach Schlankheit so gezeigt wird“, sagt Wolff. Dann habe sie sich aber überzeugen lassen. „Es ist interessant, dass sich durch die Reduzierung des Essens eine gewisse Fokussierung eingestellt, auch eine Form von Freiheit.“ Einfach durch die klare, nicht weiter zu diskutierende Entscheidung.

Kokainelixier und Diät

Dass Sisi die durch Kokainelixiere erträglicher gemachten Diätvorschriften auch für den Hofstaat anordnet, hat Wolff dagegen als unsympathischen Zug empfunden. „Da dachte ich: Du hast nicht die Größe, den anderen dabei zuzuschauen, wenn sie essen, was sie wollen.“ Da wird aus der Selbstbestimmtheit in Bezug auf als die von der Kaiserin als einzig ästhetisch empfundenen Körpermaße dann schnell eine herrische Attitüde.

„Licht an, Licht aus, Licht an, Licht aus“, so lakonisch kommentiert Irma später die schwankenden Gemütslagen ihrer Herrin, die mal als Eiskönigin, mal als Charmeurin erscheint, die mal das Opfer patriarchaler Hierarchien ist und zugleich ungeniert die ihr verliehene Macht missbraucht.

Sisi eine geistige Agilität zu verleihen, die dieses Moment der Unberechenbarkeit schafft, das war Wolff ein Anliegen. Was die auf spröde Charaktere abonnierte Spielerin, deren letzter Berlinale-Film, das Flüchtlingsdrama „Styx“ noch bestens in Erinnerung ist, generell davon überzeugt, eine Rolle zu übernehmen? „Die konsequent erzählte Energie einer Figur“.

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