zum Hauptinhalt

Kultur: Haydn spielt immer eine Rolle

Ein Festkonzert in der Nikolaikirche und ein Quartettabend im Kammermusiksaal Havelschlösschen

„Aber, lieber Beethoven, was haben Sie denn da wieder gemacht.“ Verärgert hat sich Fürst Nikolaus II. Esterhazy im September 1807 nach der Uraufführung der Messe C-Dur gegenüber dem 37-jährigen Ludwig van Beethoven geäußert. Der musikliebende Fürst und Förderer Joseph Haydns hatte die Messe bei Beethoven bestellt, um damit den Namenstag seiner Frau festlich zu begehen. Als der junge Wiener Komponist die Partitur am 26. Juli 1807 Esterhazy übergab, schrieb er in einem Begleitbrief, dass er „mit viel Furcht die Messe übergeben werde, da sie ... gewohnt sind, die Unnachamlichen Meisterstücke des Großen Haidns sich vortragen zu lassen.“

Es gibt nur wenige Sakralwerke aus der Feder Beethovens. Sein Interesse ging in eine andere Richtung, vornehmlich in die sinfonische. Dabei war er durchaus auch mit der Kirchenmusik vertraut. Schon in jungen Jahren amtierte er als stellvertretender Hoforganist in der Bonner Residenz. Eine kleine Anzahl von Orgelstücken hat sich erhalten. Seine Vertrautheit mit dem Messetext zeigt sich besonders in der gewaltigen „Missa solemnis“ von 1823, aber auch in der am heutigen Mittwoch in der Nikolaikirche erklingenden C-Dur-Messe, ein Werk, dem sich Konzertchöre selten zuwenden. In Potsdam erklang sie letztmalig vor 40 Jahren. Die Singakademie Potsdam führte sie unter der Leitung von Horst Müller in der Bildergalerie Sanssouci auf. Nun dirigiert sie Kantor Björn O. Wiede mit Gesangssolisten, dem St. Nikolaichor sowie der Neuen Potsdamer Hofkapelle im festlich-nachdenklichen Rahmen der Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit in der St. Nikolaikirche.

Verglichen mit Mozart oder Haydn schrieb Beethoven nur wenig geistliche Musik, so das Oratorium „Christus am Ölberge“ (1803), die vier Jahre später entstandene Messe in C-Dur sowie die alles überstrahlende „Missa solemnis“ (1823). Die C-Dur-Messe ist bereits ein im Ton durch und durch Beethovensches Werk – ein Meisterwerk, obwohl Fürst Esterhazy gegenüber der Gräfin Henriette Zielinska meinte, dass die Messe unerträglich lächerlich und hässlich sei. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass man sie ernst nehmen kann.“ Ja, Beethovens Messe hat seine Zeitgenossen irritiert, denn sie kann ein eigenwilliges kompositorisches Bild nicht verleugnen. Neu gegenüber der klassischen Orchestermesse ist die – übrigens bei Haydn schon angelegte – persönliche Ausdeutung des Textes, zum Beispiel durch kurze Choreinwürfe zwischen den Solopartien oder durch starke dynamische Gegensätze, die beim plötzlichen Forte fast erschreckend wirken. Die groß angelegten Chorfugen sind nicht traditionell angelegt, sondern gehen schnell wieder in einen freien Stil über. Zwischen den verhaltenen ersten Takten und dem friedlich ausklingenden Schluss entfaltet Beethoven bereits seinen ungezügelten Gefühlskosmos und verknüpft die geistlichen Texte unüberhörbar mit seiner subjektiven, leidenschaftlichen Weltsicht.

Zurückhaltend, ja fast intimer geht es am morgigen Donnerstag zu, wenn das Camesina Quartett im Kammermusiksaal Havelschlösschen in Klein Glienicke zu erleben ist. „Bei Mozarts zu haus’“ ist das Konzert überschrieben. Und auch hier spielt Joseph Haydn eine nicht unbedeutende Rolle. Denn als Wolfgang Amadeus Mozart ab 1781 in Wien lebte, es ihm in den Anfangsjahren finanziell auch noch sehr gut ging, veranstaltete er in seiner großen Wohnung regelmäßige Konzertabende. Mozart, der den Prunk liebte, lebte damals im sogenannten Camesina-Haus, benannt nach dem Stuckateur Alberto Camesina, dem das Haus zeitweise gehörte, und der es mit einer barocken Stuckdecke verziert hatte. Hier schrieb Mozart einige seiner größten Werke und auch die sechs Haydn gewidmeten Streichquartette. Diese hat Mozart wahrscheinlich auch im Camesina-Haus bei einer der Quartettabende dem von ihm verehrten Joseph Haydn vorgespielt. Und mehr noch, hier hat Mozart mit Haydn zusammen musiziert. Über eines dieser Konzerte schrieb der Tenor Michael Kelly in seinen „Lebenserinnerungen“ aus dem Jahr 1826: „Storace gab einen Quartett-Abend für seine Freunde. Die Spieler waren akzeptabel; nicht einer von ihnen war überragend, aber es war ein wenig Wissenschaft unter ihnen, welche, wage ich zu sagen, offensichtlich sein wird, wenn ich ihre Namen nenne: Die erste Violine: Haydn, die zweite Violine: Baron Dittersdorf, das Violoncello: Vanhal, die Viola: Mozart. Ich war dort, und ein größeres Vergnügen, oder ein bemerkenswerteres, kann man sich nicht vorstellen.“

Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett in d-Moll, KV 421, Joseph Haydns Streichquartett in Es-Dur, op. 33 Nr. 2 „Der Scherz“, und Johann Baptist Vanhals Streichquartett in Es-Dur „Hoffmeister“ Nr. 2 wird das Camesina Quartett spielen. Es wird ein anspruchsvolles, klangfeines und nuancenreiches Vergnügen, das Johannes Gebauer und Katja Grüttner (Violine), Irina Alexandrowna (Viola) und Martin Burkhardt (Violoncello) an diesem Abend bieten, denn nicht umsonst gilt das Streichquartett als die Königsdisziplin der Kammermusik.

Festkonzert mit dem Nikolaichor Potsdam und der Neuen Potsdamer Hofkapelle am heutigen Mittwoch, 19 Uhr, in der Nikolaikirche, Am Alten Markt. Der Eintritt kostet 15 und 10 Euro. Das Camesina Quartett spielt am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, im Kammermusiksaal Havelschlösschen, Waldmüllerstraße 3. Der Eintritt kostet 25, ermäßigt 15 Euro. Reservierungen unter Tel.: (0331) 748 14 96

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false