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Kultur: Hätte, hätte, Fahrradkette Jana Hensel las aus ihrem neuen Buch „Keinland“

Sie habe diese Liebesgeschichte unbedingt erzählen wollen, sagt Jana Hensel. Dafür konnte sie nicht Journalistin sein sondern musste das Schreiben neu lernen.

Sie habe diese Liebesgeschichte unbedingt erzählen wollen, sagt Jana Hensel. Dafür konnte sie nicht Journalistin sein sondern musste das Schreiben neu lernen. „Über Liebe kann man im Journalismus nicht schreiben“, sagt sie Mittwochabend im Gespräch mit Buchhändler Carsten Wist. Hensel, Journalistin und Autorin aus Berlin, die mit ihren Erzähl-Sachbüchern „Zonenkinder“, „Neue deutsche Mädchen“ und „Achtung Zone“ viel Aufmerksamkeit errang, ist im Waschhaus zu Gast, die Lesung ist ein kleiner, intimer Kreis. Das Buch „Keinland. Ein Liebesroman“, im Sommer erschienen im Wallsteinverlag, ist ihr Romandebüt. Zwei Jahre habe sie ausschließlich daran gearbeitet. Das Geständnis offenbart beinahe ein Bemühen, wie es sich die Protagonisten im Roman aufbürden. Als wollte hier jemand unbedingt noch einmal das große Thema Deutscher Geschichte aufgreifen. Den Bogen spannen von Diktatur zu Diktatur, von Trauma zu Trauma.

Der Anfang ist das Ende. Nadja ist die Verlassene, die Enttäuschte, die Einsame. Martin ist weg, zurück in Israel. Es hat nicht funktioniert zwischen ihnen, das kommt oft vor, das ist im Kosmos zwischen Mann und Frau nichts Ungewöhnliches. Auch das Gezerre, ein Jahr lang, hier und da, das Haben-Wollen und Wegstoßen, das Ausprobieren, das Sich-Verletzen und Trösten – nichts Ungewöhnliches. „Keinland“ von Jana Hensel hätte eine Liebesgeschichte oder vielmehr eine Nicht-Liebesgeschichte wie viele andere werden können. Vielleicht ist sie das sogar und es kommt nur auf die Lesart an.

Aber Jana Hensel erzählt die Geschichte um Nadja und Martin als Deutsch-Deutsches Märchen. Die erfolgreiche, aber einsame Mittdreißigerin aus Ostdeutschland und der schwermütige 50-Jährige aus Frankfurt – im Westen, dessen Familie den Holocaust durchlitt und der nach der Wende aus dem neuen Deutschland nach Israel auswanderte – sie können nicht zusammenfinden. Sie können aber lange Zeit auch nicht voneinander lassen. Und als es dann vorbei ist, beginnt Nadjas Monolog. Das Buch ist ein masochistisches Hätte-hätte-Fahrradkette. Aber so ist das manchmal, wenn man blind ist vor lauter Sehnen.

Es gibt für die beiden kein Land. Martin kann oder will nicht vergessen, und auch wenn ihre Einsamkeit sie irgendwie miteinander verbindet – tragend ist das nicht. Nadja, in der auch der Name Jana steckt, will das nicht wahrhaben. Hensel erlaubt ihr den ewigen, schmerzhaften Monolog der Zurückgelassenen. Man muss das aushalten wollen – das Werthersche Gejammere. Mit vielen sprachlichen Fragezeichen, Wiederholungen und Relativierungen, blumigen Gemeinplätzen wie: „Er tauchte aus dem Nichts auf und verschwand im Nichts.“ Und „Ich dachte, ich hoffte, ich musste“, wahlweise, „aber das wusste ich damals noch nicht.“ Von Nadja, die Martin mit Du anspricht, „in deine Hände, in dein Bett, in dein Leben“. Eine Litanei, eine Inszenierung. Dazu französische Einsprengsel, die den Leser ohne Sprachkenntnisse bloßstellen. Irgendwann sehnt man sich zurück nach der klaren Sprache der Journalistin. Aber: „Ich musste diesen Stoff erzählen“. S. Pyanoe

S. Pyanoe

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