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Dorothee Oberlinger

© Sebastian Gabsch/PNN

Dorothee Oberlinger und Il Suonar Parlante: Grüße aus Osteuropa

Melancholisch, vollsatt, beherzt: Il Suonar Parlante, Dorothee Oberlinger und Vittorio Ghielmi präsentieren im Kammermusiksaal die "polnische Leidenschaft" Georg Philipp Telemanns.

Wenn Georg Philipp Telemann in seiner dritten Autobiografie von 1740 begeistert von der „polnischen und hanakischen (mährischen) Musik in ihrer wahren barbarischen Schönheit“ schwärmt, muss man als – für viele versteckte und offene Rassismen sensibilisierter – Hörer von heute natürlich erstmal schlucken. Was man aber nicht überbewerten sollte, so sprach man wohl damals. Und Telemanns Liebe zur osteuropäischen Volksmusik dürfte echt empfunden gewesen sein, hat er doch spätestens seit seinem kurzen Gastspiel als Kapellmeister am Hof von Sorau (heute Vary) immer wieder Concerti, Suiten, Triosonaten oder Quartette mit ihr verfeinert.

Blockflötistin Dorothee Oberlinger, Gambist Vittorio Ghielmi und das italienische Ensemble Il Suonar Parlante („Klangrede“) haben diesen „vermischten Geschmack“ Telemanns und seiner Zeitgenossen jetzt in den Mittelpunkt ihres ersten Konzerts auf Einladung der Berliner Philharmoniker gestellt. Und zeigen im Kammermusiksaal erstmal im Wortsinn die Instrumente vor: drei Konzerte von Telemann, Frantifek Jiránek (der in Venedig wahrscheinlich bei Vivaldi studiert hat) und Johann Gottlieb Graun, Konzertmeister unter Friedrich II., jeweils für Blockflöte, Geige und Gambe.

Wiederbegegnung mit einem vergessenen Instrument

Vor allem in Grauns d-Moll-Konzert ermöglicht Ghielmi die Wiederbegegnung mit der Gambe als einem nur noch Experten bekanntem Instrument: melancholisch und vollsatt im Timbre, basierend auf einer gewissen Schrammeligkeit, ein Sound, der seine Schönheit nicht an der Oberfläche zu Markte trägt und doch unmittelbar berührt. Allerdings lassen die sportlich-prägnanten Begleitfigurationen der „modernen“ Streichinstrumente Violine und Bratsche schon ahnen, dass die Zeit der Viola da Gamba abgelaufen war.

Im zweiten Konzertteil dann eine fulminante, von Il Suonar Parlante beherzt arrangierte Suite mit „polnisch“ beeinflussten Werken von Telemann, Johann Philipp Kirnberger oder Franz Benda. Atemlos lauscht man Dorothee Oberlinger im Allegro molto von Vivaldis Flautinokonzert C-Dur, wie sie in bestürzendem Tempo durch die Register der Blockflöte jagt, dabei jedem Ton Charakter schenkt und alle angebliche Behäbigkeit des bei Schülern beliebten Instruments als entsetzliches Missverständnis entlarvt.

Statt der von Telemann gerühmten polnischen Quintposaune steuert der Moldawier Marcel Comendant als Cymbalon- Virtuose und Hackbrettderwisch zauberhaft-exotische Klänge bei. Große Freude, weil man Oberlinger in der Region künftig noch häufiger hören dürfte: Ab September übernimmt sie die Leitung der Musikfestspiele Sanssouci.

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