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Der Potsdamer Dirigent und Komponist Hans Chemin-Petit.

© Collegium Musicum Potsdam

Musikalische Wiederbegegnung: Geachtet, gemieden, wiederentdeckt

Wie der Potsdamer Komponist und Dirigent Hans Chemin-Petit vom Sinfonieorchester Collegium musicum mit einer Uraufführung geehrt wird

Lange Zeit begegnete man Hans Chemin-Petit aufgeschlossen – zu DDR-Zeiten allerdings verschwand der Name des Potsdamer Komponisten aus den Programmheften der Konzerte. Erst nach der Wende wurde er wieder gespielt. Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci führten Kammermusikalisches und Sinfonisches von ihm auf, 1993 sang die Singakademie seine Vertonung des 150. Psalms.

Der Nikolaisaal wurde vor mehr als 15 Jahren mit einer festlichen Ouvertüre des Komponisten, Dirigenten und Hochschullehrers eröffnet. Die Kammerakademie Potsdam versprach bei ihrer Gründung 2001, sich auch den Werken Potsdamer Komponisten des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart zu öffnen. Die Gedenktafel für den gebürtigen Potsdamer, die Anfang der 90er-Jahre an seinem Wohnhaus in der Charlottenstraße 22 angebracht wurde, verschwand allerdings auf rätselhafte Weise. Doch die Betreiber des Restaurants „Kleines Schloss“ im Park Babelsberg, in dem die Familie Chemin-Petit von 1933 bis 1945 wohnte, haben ein Gedenkzimmer eingerichtet.

Gründer des Collegium musicum

Am morgigen Samstag erinnert das Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam in der Friedrichskirche am Weberplatz an Hans Chemin-Petit. Das Gedenken liegt nahe, denn kurz nach Kriegsende 1945 gründete er das Collegium musicum, ein Orchester, das Liebhaber und Professionelle bis heute vereint. Nach Zeiten des quantitativen und qualitativen Auf und Ab hat der Klangkörper im 71. Jahr seines Bestehens einen bewundernswert klanglichen und interpretatorischen Aufwind erfahren – dank des jungen Dirigenten Knut Andreas.

Vor zehn Jahren führte das Orchester die 1941 von Chemin-Petit geschriebene „Festliche Musik“ auf. Von den Berliner Philharmonikern erklang sie unter der Leitung des Komponisten im Hof des Potsdamer Stadtschlosses. Im Konzert in der Friedrichskirche, das auch Werke der Polen Witold Lutoslawski und Henryk Gorecki bereithält, wird posthum die Uraufführung des „Intermezzo-Scherzo“ erklingen.

Spätromantisch, mit einem Hauch Neoklassizismus

1924 schrieb der damals 22-Jährige das Orchesterstück im spätromantischen Stil und mit einem Hauch Neoklassizismus versehen. Inspiriert wurde er beim Komponieren von Richard Strauss, den er sehr verehrte. Gewidmet ist dieses Intermezzo-Scherzo der Cellistin Lena von Hippel, mit der er 1924 befreundet war. Die Beziehungen blieben kein Intermezzo. Hans Chemin-Petit heiratete 1928 die Musikerin, die im damals bekannten Bentz-Streichquartett mitwirkte.

Geboren wurde Hans Chemin-Petit am 24. Juli 1902 als Sohn des Kapellmeisters Hans Chemin-Petit und dessen Frau Selma, die Sängerin war. An der Hochschule für Musik Berlin-Charlottenburg nahm er ein Studium auf, spielte in der Öffentlichkeit Violoncello, komponierte und dirigierte.

Den Berliner Philharmonikern war er als Kapellmeister sehr verbunden, von 1944 wirkte er als Chordirigent für den Philharmonischen Chor Berlin, den Rebling Chor Magdeburg und nach dem Zweiten Weltkrieg für mehrere Jahre den Städtischen Chor Potsdam. Bereits am 29. Juli 1945 gab es mit dem Chor in der Kirche St. Peter und Paul das Requiem von Mozart als bewegende Totenfeier für die unzähligen Toten, die während der Zeit des Nationalsozialismus und des Krieges ihr Leben lassen mussten.

Prägende Gestalt bei der Neurorientierung Potsdams nach 1945

Chemin-Petit wurde eine prägende Gestalt bei der Neuorientierung der Musiklandschaft Potsdams. Mit besonderem Erfolg konzipierte, organisierte und leitete er die Bachtage 1950. Auf einem Festakt, den das Land Brandenburg veranstaltete, sprach Ernst-Hermann Meyer, Komponist und SED-Funktionär, von dem neuen marxistisch-leninistischen Bachbild. Die Besucher reagierten mit Ablehnung. Die „Märkische Volksstimme“ schrieb daraufhin: „In Potsdam lässt sich ein reaktionäres Publikum künstlerisch meisterhafte Darstellungen vermitteln, um gleichzeitig gegen unsere fortschrittliche geistige Entwicklung offen zu demonstrieren.“ Chemin-Petit spürte, dass die staatliche Bevormundung auch auf musikalischem Gebiet krasse Formen annahm. Der Philologe Walter Jens sagte über ihn, dass er Ideologien misstraue. Der Musiker verabschiedete sich 1953 von Potsdam und ging nach Westberlin. Die dortige Hochschule für Musik forderte von ihrem Dozenten Residenzpflicht.

In Potsdam wurde er fortan als Dirigent und vor allem als Komponist eines weit gefächerten Werkverzeichnisses nicht zur Kenntnis genommen. 1967 gab es jedoch eine musikalische Wiederbegegnung mit Chemin-Petit. Der Kantor der Erlöserkirche, Friedrich Meinel, hob mit seiner Kantorei, dem Solisten Herbert Reinhold sowie dem Brandenburgischen Kammerorchester das chorsinfonische Werk „Summa vitae“ aus der Taufe. Gern hätten die Mitwirkenden und die Zuhörer den Komponisten würdig gefeiert, aber die DDR verhinderte seine Teilnahme am Konzert. Hans Chemin-Petit starb am 12. April 1981 in Berlin.

Konzert des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam am 19. März, 19.30 Uhr, in der Friedrichskirche, Weberplatz.

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