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Fil

© Daniel Porgsdorf/Promo

Gangsta-Rap für stillende Mütter: Fil begeistert beim Auftritt in Potsdam

Fil in Potsdam, dass heißt Lachen bis es weh tut. So auch am Freitag beim Auftritt des Berliner Comedians im Waschhaus. Dabei hatte er extra darum gebeten, aufs Lachen zu verzichten.

Potsdam - Unwiderstehlicher Spott: Der Berliner Comedian Fil machte sich beim Open Air im Waschhaus über tödliches Gelächter, Corona, E-Roller, Nazis und das eigene Altern lustig. Das Wichtigste gleich zu Beginn: „Lachen ist nicht mehr gesund“, belehrt der Berliner Comedian und Comiczeichner Fil die rund 150 Gäste beim fast ausverkauften Waschhaus Open-Air am Samstag, denn das gehöre zur „alten Normalität“. Außerdem müsse er ja auch an seine eigene Gesundheit denken, schließlich lachen ja alle in seine Richtung. „Also unterlasst es bitte“, so Fil. Niemand wird sich in den kommenden zwei Stunden daran halten.

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Fil erweist sich an diesem Abend ein ums andere Mal als ebenso charmanter wie anarchistischer Kleinkünstler, für den das Wort „Comedian“ eigentlich zu schade ist, das Wort „Kabarettist“ hingegen zu gediegen: Fast ohne eine Sekunde langweilig zu sein, feuert Fil auf seine Gäste eine unvorhersehbare Mischung aus Songs, ellenlangen Abschweifungen, Improvisationen und herrlich hinterhältigen Publikumsinteraktionen ab, die auf diesem Niveau nur noch Helge Schneider beherrscht.

Gangsta-Rap, Bares für Rares und Bärtige

Der Titel des Programms „Die Expertise war bedeutend höher“, hat – wie eigentlich immer – nicht das Geringste mit dem Inhalt zu tun. Dafür geht es viel um Corona: Unsichere Zeiten seien das, mit diesen ganzen Verschwörungsmythen, und Fil ermahnt das Publikum deshalb, „nicht ausversehen zu Nazis zu werden“. Auch der Rechtsruck ist immer wieder Thema, wobei Fil diesem sogar etwas Gutes abgewinnen kann: Im Song „Nazischweine, lasst mich nicht alleine“ nimmt er ironisch die (eigene) linke Wohlfühlblase aufs Korn, von der man ja gar nicht wüsste, wie gut und angenehm sie ist, wenn es keine Nazis gebe – so wie wenn man nicht wüsste, was gute Musik ist, wenn es nicht Dieter Bohlen gäbe (ein Vergleich, der den Anwesenden umgehend einsichtig ist).

Auf diese Weise mäandert sich Fil als nichts und niemand ernst nehmender Kommentator urbaner Diskurse, Aufreger-Themen und Verirrungen der Gegenwart durch den Abend: Das Spektrum reicht von Schmähsongs gegen E-Roller (den „Bubble-Tea der Straße“, die „fahrbare Nespresso-Kapsel“), über Bares für Rares („eine Parallelwelt, in der Deutschland den zweiten Weltkrieg gewonnen hat“), bis hin zu einem Gangsta-Rap aus Sicht öffentlich stillender Mütter gegen die „Bärtigen“ im Kreuzkölln („Triumph des Stillens“). Überhaupt, die „Bärtigen“ - warum so ein Gewese um Gesichtsbehaarung? Gabs doch auch schon in den Achtzigern, und da wusste man noch: „Ein Mann mit Bart ist einfach nur ein Mann ohne Bart – der einen Bart hat.“

Unfertige Songs und hervortretende Adern

Fil ist älter geworden – und weiser, wie er vorgibt. Ja, er freue sich mittlerweile über das Altern, zum Beispiel die hervortretenden Adern an Händen und Penis – ein Zeichen für gesunde Durchblutung. Nur mit den Haaren hadert er, die sich auf seinem Kopf schon in den Neunzigern zurückgezogen haben, um nun an den unmöglichsten Stellen wieder zum Vorschein zu kommen. Außerdem lernen wir: Die einzigen Dinge im Internet, die funktionieren, sind Wissenserweiterung und Pornographie, soziale Netzwerke hingegen nicht – weil nun mal alles von Nerds designt wurde.

Die unorthodoxe Leichtigkeit, mit der Fil zu Werke geht, lässt hin und wieder vergessen, wie gut er es immer wieder schafft, den Nagel auf den Kopf zu treffen – obwohl er schräg von der Seite zuschlägt. Neben etlichen Einrahmungswürdigen Bonmots ist es immer wieder die Performance, die selbst aus dem größten Nonsens hervorragendes Entertainment macht. Normalerweise ist es auf der Bühne tödlich, sich selbst zu unterbrechen, den Text zu vergessen, sinnlose Effektgeräte vorzuführen oder halbfertige Songs zu erklären. Doch Fil schafft es, selbst in diesem Momenten urkomisch zu sein, ja manche dieser Momente zählen sogar zu den Highlights des Abends. Fils Spott ist eben vor niemandem sicher – auch nicht vor sich selbst.

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