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Kultur: „Für mich ist das Neuland ...“

Aktmalereiworkshop der Mund- und Fußmaler in der Galerie am Neuen Palais

„Die Schulter kannst du ruhig noch ein bisschen mehr betonen“, sagt die drahtige Rothaarige in der grünen Latzhose, als sie Lars Höllerer über die Schulter schaut. Auch bei Antje Kratz bleibt sie aufmerksam stehen und kommt schließlich mit einer Kopie aus dem Lehrbuch der Künstleranatomie von Gottfried Bammes an deren Staffelei zurück. Geduldig erklärt sie der Frau mit der frechen Igelfrisur noch einmal die Besonderheiten der Darstellung der menschlichen Wirbelsäule. Beide Kursteilnehmer hören ihr genau zu und malen kurz darauf mit großer Konzentration weiter. Seit vergangenem Dienstag jeden Tag fast sieben Stunden lang.

Höllerer und Kratz gehören zu einer Gruppe mund- und fußmalender Künstler, die in der Galerie am Neuen Palais ihren traditionellen Sommerworkshop durchführte. In diesem Jahr stand in dem Kurs unter Leitung der Berliner Malerin Monika Sieveking, bei dem die Künstler ihre Maltechniken perfektionieren und untereinander den Erfahrungsaustausch suchen, die Aktmalerei im Mittelpunkt. Die meisten aus der achtköpfigen Künstlergruppe, die aus ganz Deutschland nach Potsdam anreisten, hatten bisher keine Erfahrung damit. Aus Mangel an Gelegenheiten und weil man bei Landschaft mehr schummeln könne, wie der Caputher Mundmaler Thomas Kahlau ziemlich verschmitzt sagt. Hans Zink hingegen hat schon eine gewisse Routine und findet es „nicht so schlimm“, am lebenden Modell zu arbeiten.

Berührungsängste gab es auch bei den anderen nicht, sondern ganz großen Mut, am lebenden Akt zu arbeiten, wie Kursleiterin Sieveking feststellte und die vorsorglich mitgebrachten Stillleben dann doch in der Tasche ließ. Denn alle Künstler, die entweder mit dem Pinsel im Mund oder zwischen den Zehen malen, sind ungemein offen für neue Vorschläge. Schnell gerät die Lehrerin ins Schwärmen, als sie von ihren Erlebnissen der vergangenen Tage erzählt. Beispielsweise von der intensiven Suche nach der Linie von Renate Schaible-Kaufmann, die aufgrund von Lähmungen und Spasmen, solche nur unter größten Anstrengungen ausführen kann. Doch die Rückenakte der 70-Jährigen wirken sehr lebendig.

Auch Günther Holzapfel, der schon ein halbes Jahrhundert malt, sagt mit einnehmendem Lächeln, dass Aktmalerei für ihn Neuland und wie jede Arbeit anstrengend sei und wendet sich gleich wieder seinem Entwurf zu. Und wenn man sich mit ihm, der beim Malen im Liegen den Pinsel geschickt mit beiden Füßen hält, unterhält, spürt man deutlich, wie wichtig für ihn die Malerei als Lebenselixier ist. Holzapfel, der von Geburt an spastisch gelähmt ist, hat nie eine Schule besuchen können. Als er 16 war, schenkten ihm andere Dorfkinder einen Malblock und Stifte. Und mit ungeheurem Elan brachte er sich selbst das Malen als Autodidakt bei. In den 60er Jahren wurde er dann Stipendiat der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler (VDMFK) und seitdem waren seine Landschaftsbilder und Stillleben u.a. in Kanada, Japan und Australien zu sehen.

17 Aktbilder waren bis Freitag schon entstanden. Alle Workshopteilnehmer arbeiteten trotz des draußen lockenden Sommerwetters mit viel Ehrgeiz an der Fertigstellung der gerade begonnenen Arbeiten. Kursleiterin Monika Sieveking „nötigen“ die Künstler mit ihrem unübersehbaren Gestaltungswillen großen Respekt und auch eine gewisse Demut ab.

Astrid Priebs-Tröger

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