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Mehr als nur ein Hauch von Italien. Die Wasserseite der Alten Fahrt mit den bis zum Ufer gehenden Seitenflügeln des Palais Barberini, die an Venedig erinnerten, auf einer Aufnahme aus der Zeit vor 1945.

© Archiv Wendland

Kultur: Für „ewige Zeiten“ Bürgerhaus

Im Palast Barberini fand seit Friedrich Wilhelm IV. ein reges Vereinsleben statt

Auf dem Alten Markt war die Ufa zu Gast. Das Filmteam nahm fast den gesamten Platz in Beschlag. Gedreht wurde die Hochzeit eines italienischen Nobili mit einer märchenhaften Prinzessin in der St. Nikolaikirche, wusste die Schriftstellerin Dorothee Goebeler Anfang der 20er-Jahre zu berichten. Ein Auflauf von Potsdamern beobachtete anschließend, wie sich die Hochzeitsgesellschaft über den Platz hinüber zum Palast Barberini bewegte. In dessen Räumen verschwand sie schließlich. Von welchem Film die Rede ist, davon erzählte die Autorin nichts. Aber in Italien soll er spielen. Denn Nikolaikirche und Palast Barberini und viele andere Bauten Potsdams weisen uneingeschränkt römisches Flair auf.

Ist der Alte Markt mit seinen historischen Bauten vor allem an sonnigen Tagen Drehort für so manchen Film der Ufa, die in Babelsberg ihr Hauptdomizil hat, so konnte man in den Abendstunden die Filme – es sind noch solche ohne Ton – im Palast Barberini erleben. Ein Kino etablierte sich in dem nicht allzu großen Saal. Und auch in ihm drängten sich die Potsdamer, denn sie wollen die neuesten Filmschöpfungen, beispielsweise „Der müde Tod“ oder „Dr. Marbuse“, in Augenschein nehmen. Das neue Medium machte neugierig. Und vielleicht entdeckte man ja die Drehorte vor der Haustür wieder.

„Zumeist spielten ein Klavier und eine Geige, manchmal auch ein Streichquartett zu den Bildern, die sich auf der Leinwand bewegen. In der Pause, wenn eine neue Filmrolle in den Vorführapparat eingelegt wurde, ging ein Angestellter durch die Reihen und sprühte mit einer Spritze Kiefernholzduft in den überfüllten Raum“, erinnert sich Gertrud S. an die Kino-Zeiten im Palast Barberini. „Aber nicht nur Filme konnte man dort wohl genießen. Ich weiß, dass mein Vater jede Woche einmal zu Proben des Vereins für klassische Musik ging. Mit seiner Geige“, erzählte die über 90-jährige Potsdamerin. Vereine, die sich mit der Historie und der Kunst in Potsdam beschäftigten, fanden hier ein Domizil.

Der Palast Barberini, unter Friedrich dem Großen 1771/72 nach dem Vorbild eines römischen Palazzo gleichen Namens erbaut, wurde unter der Ägide Friedrich Wilhelms IV. umgebaut und vergrößert. Die Eigentümer, die Maurermeister Christian Heinrich Zech und Adolph Wilhelm Hecker, erhielten dafür vom König finanzielle Unterstützung. Sie verpflichteten sich, dem „Kunst- und Wissenschaftlichen Verein“ Räume im umgestalteten Vorderhaus unentgeltlich auf „ewige Zeiten“ zur Nutzung zu überlassen. Doch die Besitzer verdienten an der Investition des Aus- und Umbaus nichts. Der Hof musste sich immer wieder mit dem Antrag von Unterstützungsgeldern der Maurermeister „zur Deckung des mehrverwandten Capitals“ beschäftigen.

Im Jahre 1912 kaufte die Stadt den Palast. Sie konnte dort einige ihrer Amtsstuben unterbringen, denn man war auf zusätzliche Räume angewiesen. Im Alten Rathaus nebenan wurde es immer enger. Doch die Heimat-und Kunstvereine sowie Musik- und Chorvereinigungen konnten weiterhin den Palast als ihre Heimat betrachten. Gertrud S. wusste zu erzählen, dass ihre Mutter dort während des Ersten Weltkrieges, ab 1915, Lebensmittelkarten zur „Empfangnahme von Butter, Margarine – Pflanzenfett“, für Brot sowie eine Seifenkarte ausgehändigt bekam. Nachdem sich der Kaiser 1918 ins holländische Exil zurückgezogen hat, blieb auch der Palast Barberini weiterhin ein Bürgerhaus. Es erhielt auch politische Bedeutung für die ehemalige Residenzstadt. Der Potsdamer Magistrat traf sich am 17. November 1918 mit Delegierten des Arbeiter- und Soldatenrats. Sein Vorsitzender, der USPD-Politiker Wilhelm Staab, betonte während der Zusammenkunft, vor allem in Richtung der Kaisertreuen: „Ich möchte, dass keiner mit dem Hintergedanken daran teilnimmt, dass heute oder morgen ein Umschwung kommt. Ich möchte das ausdrücklich betonen. Das ist ausgeschlossen.“ Zwischen dem Arbeiter- und Soldatenrat, dem Magistrat sowie der Stadtverordnetenversammlung wurde eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit unterschrieben.

Die Musik feierte im Palast besonders schöne Feste. Wilhelm Kempff, der viele Jahrzehnte in Potsdam lebte und einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts war, erinnerte sich an einen Klavierabend am 19. Oktober 1907 im „Barberini“, bei dem er als Elfjähriger mit Improvisationen glänzte. „Eine erwartungsvolle Stille breitete sich über den festlichen Raum. Nur das heisere Zischen der Gasflammen war zu hören. Er schaute mit ernsten Kinderaugen in die Arena, selbst nicht ohne erregte Erwartung“, so Kempff in seinen Erinnerungen. Hans Chemin-Petit, ebenfalls eine wichtige Potsdamer Persönlichkeit in Sachen Musik im vergangenen Jahrhundert, gab des Öfteren Kammerkonzerte. Auch so manche Uraufführung eines seiner kammermusikalischen Werke stand dort auf dem Programm. So beispielsweise im November 1930. Der Bariton Werner Bodecker hob Lieder aus der Taufe. Am Flügel begleitete ihn der Garnisonkirchen-Organist und Glockenist Otto Becker. „Im Palast Barberini habe ich Becker hin und wieder bei Konzerten erlebt, als Musiker oder als Zuhörer. Ich habe erst gar nicht gedacht, dass dieser große Musiker von solch kleiner Gestalt war“, wusste Gertrud S. zu erzählen.

Doch auch im Palast Barberini musste die Musik am 14. April 1945 nach der Bombardierung der Innenstadt verstummen. Die gebürtige Potsdamerin hat aber kurz vor ihrem Tod im vergangenen Jahr noch erfahren, dass der Palast wiederaufgebaut werden soll. „Hoffentlich sind die Wohnungen und das Restaurant auch erschwinglich. Schließlich war er immer für uns Potsdamer da“, sagte die alte Dame. Dass in den Palast nach seinem Wiederaufbau wieder die schönen Künste einziehen werden, vor allem Bilder, diese Nachricht hätte Gertrud S. besonders erfreut.

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