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Anders sein ist okay, solange man es nicht alleine ist. Lea Willkowsky als Agnes und Leonie Rainer als Elin spielen die Hauptrollen in der Inszenierung am Hans Otto Theater. Dass beide ein bisschen älter sind als die Protagonistinnen, ist egal. Wer erinnert sich nicht an die eigene Jugend?

© HL Böhme

„Fucking Amal“ im Hans Otto Theater: Wie viel anders ist erträglich?

Andreas Rehschuh inszeniert am Hans Otto Theater den schwedischen Coming-of-Age-Klassiker „Fucking Amal“. Trotz heikler Thematik ist das Stück nicht bedrückend.

Potsdam - Anderssein will keiner. Stellt man fest, dass man anders ist, kann man sich aber immer noch hinter seiner Clique verstecken, die Kanten abschleifen und als Teil der Herde nicht weiter auffallen. Die 14-jährige Agnes aus Amal, einem schwedischen Dorf in der Provinz mit etwa 9 000 Einwohnern, kann sich nicht verstecken. Sie hat keine Freunde, in den Augen ihrer Mitschüler ist sie ein Niemand und obendrein ein merkwürdiger. Agnes hat ein Geheimnis. Sie ist in Elin verliebt, das beliebteste Mädchen der Klasse. Für eine Mutprobe soll Elin Agnes küssen und plötzlich wird alles ganz anders. Auch Elin fühlt etwas.

„Fucking Amal“ ist der Coming-of-Age- und Coming-out-Film des schwedischen Regisseurs Lukas Moodysson, 1999 gewann er den Teddy Award auf der Berlinale und den Guldbagge, den wichtigsten schwedischen Filmpreis. Nun inszeniert das Hans Otto Theater die Theaterfassung, für die Premiere am kommenden Mittwoch sind nur noch Karten an der Abendkasse verfügbar.

Es geht um die Suche nach dem Glück und um die erste große Liebe

Die Geschichte klingt wenig originell: Zwei Jugendliche, die Beliebte und die Außenseiterin, verlieben sich. Ok, eine lesbische Liebe, aber kräht da überhaupt noch ein Hahn nach? Doch für Regisseur Andreas Rehschuh ist die Homosexualität der beiden Mädchen wenig vordergründig: „Es geht um die Suche nach dem Glück, um die erste große Liebe, um: Was will ich überhaupt?“ „Raus aus Amal“ – in der Theaterversion „Fucking Amal“ – kreist zwar um die Protagonistinnen Agnes und Elin, changiert aber in den Perspektiven und beleuchtet universelle Probleme der Jugend. „Wie soll mein Leben aussehen? Bin ich nur eine Kopie meiner Eltern? Habe ich die gleichen Werte, die gleichen Feindbilder oder will ich ausbrechen? Wie groß ist meine Risikobereitschaft, einen komplett neuen Weg zu gehen? Wie viel Widerstand brauche ich? Wie viel Geborgenheit brauche ich? Alle diese Fragen stellen sich“, so Rehschuh.

Und dennoch kann man das „Problem“ Homosexualität schlecht ausklammern, wenn man über „Fucking Amal“ redet und auch Rehschuh räumt ein, dass Homophobie – auch die unbewusste – in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreitet ist: „Wir sind noch weit entfernt von einer Akzeptanz. Solange wir Homosexualität noch thematisieren müssen, gilt es noch nicht als normal. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es kein großes Thema mehr ist, dann geht es endlich nur noch um den Menschen und um nichts anderes mehr.“ Die latente Homophobie wird in dem Stück durchaus deutlich. Da geht es auch um unsere Sprache und darum, wie festgefahren die Gesellschaft noch in heteronormativen Konventionen feststeckt. „Wie fundamental drin sind einfach solche Sätze wie: Das ist ja voll schwul“, sagt Rehschuh. Wenig verwunderlich angesichts der Tatsache, dass erst seit Beginn der 1990er-Jahre Homosexualität nicht mehr im Katalog der „International Classification of Diseases“ des WHO als psychische Krankheit aufgeführt wird.

„Ich glaube, wir müssen ganz genau hinschauen“, sagt Rehschuh, „Wenn dann etwa einer sagt: ’Du bist ja nicht einer von denen, das wissen wir auch’, dann ist das umso schockierender. Wenn ich das als Zuschauer bemerke, fange ich vielleicht an zu reflektieren.“

Vätern gelingt es nicht, ein Maß zu finden

Hier nimmt Rehschuh auch die Eltern in die Verantwortung. Wo es im Film eine alleinerziehende Mutter gibt und Agnes aus einer heilen mittelständischen Familie kommt, komprimiert die Theaterinszenierung den Elternkomplex auf zwei alleinerziehende Väter. „Ich fand es sehr reizvoll, zwei Väter zu nehmen, die auf unterschiedliche Art und Weise überfordert sind mit dem Erwachsenwerden ihrer Töchter“, so Rehschuh, „Elins Vater verwechselt Desinteresse mit Toleranz, und Agnes Vater interessiert sich eine Spur zu viel. Beiden gelingt es nicht, ein Maß zu finden.“

Primär möchte Rehschuh jedoch jugendliche Ängste offenlegen, die häufig damit zusammenhängen, anders zu sein als die anderen. Agnes ist in ihrer Einsamkeit so verloren, dass sie sogar erwägt, sich das Leben zu nehmen. Für Rehschuh ist sie dennoch keine bemitleidenswerte Figur: „Das Stück sucht keine Opfer. Es ist eben unglaublich anstrengend, wenn man nicht angepasst und ein bisschen kantig ist. Aber sie ist viel reifer als die anderen. Und das Spannende ist, dass Elin etwas Ähnliches empfindet. Aber sie schützt sich und baut sich ein Standing in der Clique auf, merkt aber, dass alles, was sie tut, eine Fassade ist. Und das ist ja auch was sehr Heutiges. Wir scheinen so viel. Wir stellen so viel dar in unserem Leben und wo sind wir da wirklich? Und da ist Agnes sehr mutig, bei vielen Dingen zu sagen: Nein, so bin ich nicht.“

Trotz heikler Thematik ist „Fucking Amal“ kein bedrückendes Stück. Das Stück, so Rehschuh, „versucht die gleiche Sinnlichkeit und den gleichen Humor zu erzählen, die auch schon den Film besonders gemacht haben.“

„Fucking Amal“ hat am kommenden Mittwoch, 10. Februar, um 18 Uhr im Hans Otto Theater Premiere. Restkarten gibt es an der Abendkasse.

Theresa Dagge

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