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Kultur: Fremd im eigenen Land Maxim Leo las aus seinem Roman

Es gibt sie, die Gnade der späten Geburt. Der Berliner Journalist Maxim Leo wurde neunzehn Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR geboren.

Es gibt sie, die Gnade der späten Geburt. Der Berliner Journalist Maxim Leo wurde neunzehn Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR geboren. In eine ostdeutsche Familie hinein, die in ihren Mitgliedern exemplarisch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt. Seine beiden Großväter könnten unterschiedlicher kaum sein: Einer ist der großbürgerlich-jüdischstämmige Résistancekämpfer Gerhard Leo, der später in der DDR als Frankreichkorrespondent für das „Neuen Deutschland“ Karriere macht. Der andere stammt aus kleinen Verhältnissen, gelangt bei den Nazis zu Wohlstand und nach französischer Kriegsgefangenschaft in die DDR-Volksbildung, wo er „gewendet“ rasch aufsteigt. Am Mittwochabend war Maxim Leo im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu Gast und stellte vor einer Handvoll Zuhörern sein lesenswertes Buch „Haltet euer Herz bereit“ vor, in dem er seine ostdeutsche Familiengeschichte erzählt.

Maxim Leo genießt vor allem die Vorteile des „antifaschistischen Adelsstandes“, spürt jedoch auch früh die Zerrissenheit seiner eigenen Eltern, die in ihrer Ehe die Unvereinbarkeit ihrer Herkunftsfamilien spiegeln. Ihre eigene Beziehung ist nicht nur dadurch, sondern auch durch die fehlende beziehungsweise schwindende Begeisterung für den Sozialismus belastet. Der Sohn beobachtet anfangs aus der „Froschperspektive“ diese Familiensituation, die besonders die mentalen Auswirkungen zweier deutscher Diktaturen wie unter einem Brennglas am Beispiel dreier Generationen beleuchtet.

Auf Wunsch des Publikums las Maxim Leo ein Kapitel über seine eigene Kindheit, die typisch ostdeutsche und millionenfach praktizierte Schizophrenie des täglichen gegensätzlichen Verhaltens in Familie und Gesellschaft auf den Punkt zu bringen. Nicht nur bei seinem vorbildhaften Großvater, der zu den Gründungsvätern der DDR gehört und schon wenige Jahre später weit mehr in Frankreich als im realen Sozialismus zu Hause ist, als auch bei seinen intellektuell-künstlerischen Eltern, die sich aggressiv respektive resignativ mit den realsozialistischen Umständen arrangieren, dem Sohn jedoch frühzeitig eine Freiheit im Denken ermöglichen.

Das versetzt diesen in die Lage, Distanz zu halten und wie er in der Lesung sagte, „seine Heimatgefühle von der DDR abzutrennen“. Es trägt ihm später aber auch den Vorwurf des „Überläufers“ ein, als er nach dem Mauerfall rasch und scheinbar unbelastet im neuen Deutschland ankommt. Achtzehn Jahre nach dem Ende der DDR beginnt er jedoch, nachdem seinem Großvater Gerhard nach einem Schlaganfall die Sprache abhanden gekommen ist, die gesamte Familie zum Sprechen zu bringen und sich den gemeinsamen Verdrängungen zu stellen. Diese Spurensuche gipfelt in Sätzen wie : „Neuer Glaube gegen altes Leid, das war der Gründungsdeal der DDR“ und „Von nun an zählte nur noch die Zukunft. Und aus dem Trauma wurde der Traum.“

Dem Enkel gelingt es, dabei sowohl ein analytisch-scharfes als auch liebevolles Bild seiner eigenen Familie zu zeichnen. Wohltuend ist der zumeist lakonische Tonfall seiner Beschreibungen, die dem Leser genügend Raum für eigene Reflektionen lassen und ihn ideologisch nicht zu vereinnahmen suchen. Eine Zuhörerin erzählte, wie fremd sich auch ihre Eltern zeitlebens in der DDR gefühlt haben, und wie sie dennoch zu deren Erhalt beitrugen. Astrid Priebs-Tröger

Maxim Leo: Haltet euer Herz bereit. Eine ostdeutsche Familiengeschichte. Karl Blessing Verlag München, 2009, 19.95 Euro

Astrid Priebs-Tröger

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