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Ben (Florian David Fitz, Mitte) mit seinen Kindern Erna (Ava Petsch, links) und Lili (Laurì).

© dpa / Pantaleon/Warner/Jürgen Olczyk

Filmkomödie „Oskars Kleid“: Das Problem heißt Papa

Florian David Fitz spielt in „Oskars Kleid“ einen bayerischen Polizisten, der lernen muss mit der Transidentität seiner neunjährigen Tochter umzugehen.

Die Ansage am Abendbrottisch ist laut und deutlich: „Ich heiße nicht Oskar, ich heiße Lili!“, schleudert die Neunjährige ihrem Vater Ben (Florian David Fitz) entgegen. Der lebt seit mehr als einem Jahr getrennt von der Mutter seiner beiden Kindern, wobei ihm offensichtlich ein paar Dinge entgangen sind.

Weil seine Ex Mira (Marie Burchard) mit Schwangerschaftskomplikationen ins Krankenhaus muss – sie erwartet Zwillinge von ihrem neuen Partner Diego –, hat er die Kinder zu sich genommen. Dass es zwei Mädchen sind und nicht ein Junge und ein Mädchen, wie er immer dachte, will der bayerische Polizist nicht wahrhaben. Lilis gelbes Lieblingkleid feuert er gleich mal in die Mülltonne.

Von dieser Abwehr und ihrer Überwindung handelt Hüseyin Tabaks Komödie „Oskars Kleid“, die schon im Titel anzeigt, dass der Fokus nicht auf dem trans Mädchen Lili liegt, sondern auf der väterlichen Sicht auf sie. Es geht um sein Coming-of-Age, nicht ihrs. Und Ben spricht seine Tochter nun mal ständig mit dem falschen Namen an, benutzt weiterhin männliche Pronomen. Seine jüngere Tochter Erna (Ava Petsch) behandelt Lili hingegen ganz selbstverständlich als Schwester. Deren Transidentität wird auch von Mira und Diego (Juan Lo Sasso) nicht infrage gestellt.

Florian David Fitz, der das Drehbuch verfasste, klinkt sich mit „Oskars Kleid“ in eine momentan hitzig geführte gesellschaftliche Debatte ein, indem er sich mit der Rolle des Vaters zu einer Projektionsfigur für Vorurteile und gefährliches Halbwissen zum Thema trans Kinder macht. So landet Ben bei seiner ersten Internet-Recherche prompt bei einem vermeintlichen Expertenvideo. Ein seriös auftretender älterer Herr verkündet in ernstem Ton: „Trans ist die neue Magersucht.“ Er spricht von einer Mode und einem Nachahmereffekt. Ben plappert das bei nächster Gelegenheit nach.

Es sind genau die Scheinargumente, die immer wieder von Altfeministinnen wie Alice Schwarzer sowie vereinzelten Mediziner*innen vorgebracht werden. Wobei die Rede vom vorgeblichen Trend stets ausblendet, dass vielen trans Menschen ein offenes Leben der eigenen Genderidentiät überhaupt erst durch die seit Kurzem erkämpfte größere Sichtbarkeit und die zunehmende Emanzipation möglich erscheint.

In einem Land, in dem ein Personenstandswechsel noch bis nach der Jahrtausendwende mit Scheidung und Sterilisation einherging und bis heute einer psychiatrischen und juristischen Begutachtung bedarf, ändert sich erst allmählich das Klima.

Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einem Selbstbestimmungsgesetz, dass das veraltete Transsexuellengesetz ablösen soll. Danach könnten Erwachsene ihren Geschlechtseintrag unkompliziert auf dem Standesamt ändern. Gegen dieses Vorhaben hat Alice Schwarzer in diesem Jahr zusammen mit einer „Emma“-Kollegin eine Streitschrift veröffentlicht, in der auch immer wieder die angeblich von verstümmelnden OPs bedrohten Minderjährigen erwähnt werden. Wobei medizinische Aspekte bei den Plänen zum neuen Gesetz gar keine Rolle spielen. Zudem brauchen Kinder die Zustimmung ihrer Eltern.

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Für Lili, die von Leinwanddebütantin Laurì gespielt wird, ist die Bürokratie noch unwichtig. Allerdings taucht die Frage von Pubertätsblockern bereits am Horizont auf. Als Ben sich einmal ratsuchend an eine ältere trans Frau (die Berliner Sängerin Georgette Dee) wendet, klärt sie ihn über diese Möglichkeit auf. „Schwere Entscheidung“, findet Ben. Er habe da gar nichts zu entscheiden, entgegnet sie ihm – seine Aufgabe sei es lediglich, sein Kind zu lieben, wie es ist.

Wie das aussehen könnte, findet Ben erst allmählich heraus. Drehbuchautor Fitz hat ihm einen ganzen Haufen Hindernisse in den Weg geschrieben und die Handlung stark überfrachtet. So kommen irgendwann auch noch seine großbürgerlichen jüdischen Eltern (Senta Berger und Burghard Klaußner) ins Spiel, Lili muss ein Synagogen-Gespräch mit einem Rabbi führen und altkluge Bemerkungen zu „Anna Karenina“ machen.

Eine behämmerte Verfolgungsjagd mit anschließender Klopperei, eine Fast-Geburt auf der Autobahn und vom Baum kackende Waldbesetzer komplettieren die Komödien-Überdrehtheit.

Doch das alles ändert nichts daran, dass „Oskars Kleid“ ein wichtiger Film ist, der das Potenzial hat, beim Mainstream-Publikum das Verständnis für trans Kinder zu erhöhen. Das Werk, das sich höchstens in zweiter Linie an die queere Community richtet, ist ein Plädoyer dafür, dass Eltern sich selbst hinterfragen und nicht ihre trans Kinder zum Problem machen. Das ist schon viel für eine deutsche Familienkomödie in einer Kinolandschaft, die LGBTIQ-Themen ansonsten höchsten am Rande verhandelt. Und schon gar nicht zur Weihnachtszeit.

Vielleicht schafft es ein weiteres Starvehikel zum nächsten Fest, dass der Mainstream und die Community zusammen etwas zu lachen haben. Wäre ein schönes Geschenk.

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