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Von ihm lernte der hartnäckige Friedrich II. die Lockerheit. Dietrich Freiherr von Keyserlingk brachte ihm bei, dass das Leben auch fröhliche Seiten haben kann. Doch der Freiherr starb sehr früh und der König schlug fortan nicht mehr über die Strenge.

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Kultur: „Er nahm wenig Rücksicht auf andere“

Der Historiker und Ausstellungskurator Jürgen Luh über die Hartnäckigkeit Friedrich II.

Es ist das Jahr des Königs. Zum 300. Jubiläum seiner Geburt ist Friedrich II. in Potsdam und Brandenburg das prägende Thema. Ob Konzert, Buchvorstellung, Theater oder Ausstellung, am berühmten Preußenkönig kommt man nur schwer vorbei. In den kommenden Wochen sollen an dieser Stelle die unterschiedlichen Facetten des Königs beleuchet werden, der unter anderem auch Musiker, Philosoph, Kunstliebhaber und Dichter war.

 

Herr Luh, das Streben nach Ruhm war für Friedrich II. die wohl entscheidende Antriebskraft. In Ihrer Biografie „Der Große. Friedrich II. von Preußen“ sprechen Sie in diesem Zusammenhang von seiner außergewöhnlichen Hartnäckigkeit. Liegt diese Hartnäckigkeit vor allem auch im schwierigenVerhältnis zu seinem Vater begründet?

Ich glaube ja. Dort hat sie ihre Wurzeln. Wenn das Verhältnis zu seinem Vater harmonisch gewesen wäre, hätte er es als Thronfolger leichter gehabt, hätte er mehr Bewegungsfreiheit besessen, hätte er nicht um die Dinge, die er wollte, unbedingt kämpfen müssen. Durch das sehr schwierige Verhältnis zum Vater, weil Friedrich nicht dessen Wünschen und Vorstellungen entsprach und seine eigenen Vorstellungen verwirklichen wollte, musste sich er sich immer wieder gegen den Vater und König durchsetzen. Er musste äußerst hartnäckig um seine Position kämpfen.

Es war also vor allem der Vater, der Friedrich prägte. Letztendlich gab es für den Thronfolger doch nur zwei Optionen: Entweder an der rigorosen Erziehung Friedrich Wilhelm I. zerbrechen oder gestärkt diesen Konflikt überstehen.

Ja, Friedrich Wilhelm I. unternahm alles, um den Sohn immer wieder zurechtzustutzen, ihn nach seinem Willen zu formen. Er gab sich wider alle Vernunft größte Mühe, den Willen des Sohnes zu brechen, dessen Träume zu zerstören und aus dem Thronfolger ein vom Vater abhängiges, geistig beschränktes, untertäniges Geschöpf zu machen. Aber das wollte Friedrich nicht mit sich geschehen lassen. Er wollte ein eigener Kopf sein und sich auf gar keinen Fall vom Vater bestimmen lassen. Er hat in seinem Vater immer wieder seinen ärgsten Feind gesehen, gegen den er sich wehren musste. Das machte Friedrich widerstandsfähig und zielbewusst.

Eine äußerst harte Schule.

Es war ein regelrechter Kampf, den er mit seinem Vater führte. Der fing schon im Kindesalter an. Und dann hat Friedrich 15 bis 16 Jahre lang, in seiner gesamten Jugend, fast täglich diesen Kampf mit dem Vater um seine Persönlichkeit geführt. Wenn er daraus erfolgreich hervorgehen wollte, das merkte er schnell, musste er auf seinen Positionen beharren. Und das tat er. Er gab seine Ideen und Vorstellungen trotz allen Drucks, den Friedrich Wilhelm I. ausübte, nicht auf, sondern hielt zäh dagegen. Diese Hartnäckigkeit hat Friedrich geholfen, den Konflikt mit dem Vater zu überstehen und erfolgreich und stark daraus hervorzugehen.

Haben sich da im Grunde genommen mit Vater Friedrich Wilhelm I. und Sohn Friedrich zwei besonders starke Charaktere aneinander abgearbeitet oder, etwas salopp gesagt, sind da zwei Dickköpfe aneinandergeraten?

Ja, auf jeden Fall. Das geht auch aus den Briefen ganz klar hervor. Jeder hat seinen Weg für richtig gehalten und da gab es keinen Kompromiss. Also kann man auch von zwei Dickköpfen sprechen. Friedrich war als Sohn und Thronfolger zwar in der schlechteren Position, er hat sich aber erfolgreich behaupten können. Auch haben die beiden sich nicht versöhnt. Das ist nur eine schöne Legende. Friedrich, das erweist das Studium der verfügbaren Äußerungen, hat seinen Vater nicht geliebt, er hat ihn gehasst. Über seinen Vater wollte er nach dessen Tod nicht mehr sprechen. Das zeigt sich in Friedrichs Reaktion kurz nach seinem Regierungsantritt, als er die Diskussion über sein Verhältnis zum Vater mit einem Satz unterbindet. Darüber wollte er einfach nichts mehr hören, das war für ihn Vergangenheit. Dabei spielt außerdem eine Rolle, dass Friedrich dynastisch dachte: Es durfte kein Schatten auf seinen Vater fallen, denn der wäre auch auf die Dynastie und damit auf Friedrich zurückgefallen.

In Hartnäckigkeit steckt ja auch das Wort „hart“. Können wir so weit gehen und sagen, dass das Streben nach Ruhm ihn so hart gemacht hat, dass er zu Freundschaften, engeren sozialen Beziehungen unfähig war?

Das Streben nach Ruhm, für den Hartnäckigkeit, Beharrlichkeit eine wichtige Eigenschaft und Voraussetzung war, das hat ihn sicher oft unerbittlich gemacht. Überhaupt führte das Verfolgen seiner Ziele dazu, dass er wenig Rücksicht auf andere nahm und oft auch auf sich selbst. Es ging ihm eben vorrangig darum, seine Ziele, seine Vorstellungen durchzusetzen. Insofern ist dieses „hart“ von „hartnäckig“ sicherlich richtig. Wenn man sich sein Leben anschaut, merkt man, dass er etwa „hart“ an sich selbst arbeitete, denn er sah die Defizite seiner Jugendzeit. Deshalb fing er in Rheinsberg und Neuruppin an, zu lesen und das bislang Versäumte aufzuarbeiten. Um sich zu bilden und zu verbessern, versammelte er dort Männer um sich, die Lebenserfahrung hatten, ausgebildet waren und auf unterschiedlichen Gebieten etwas konnten, fast alles Ältere. Friedrich wollte sich beweisen, und er arbeitete hartnäckig an sich, um intellektuell den Vertrauten gleichzukommen und sie, das ist natürlich sein Anspruch, sogar noch zu übertreffen. Das erforderte ein hohes Maß an Disziplin. Hartnäckigkeit bedeutet bei Friedrich auch Disziplin sich selbst gegenüber. Dass man bestimmte Dinge aber auch durch Lockerheit erreichen kann, lernte er nur ganz kurz durch Keyserlingk kennen, der ihm zeigte, ja beibrachte, dass das Leben auch fröhliche, leichte Seiten haben kann, man auch ein Glas Wein trinken, auf die Jagd gehen, singen und tanzen kann.

Aber Friedrichs Vertrauter Dietrich von Keyserlingk stirbt schon 1745.

Ja, nach Keyserlingks Tod fehlte Friedrich dieser Ausgleich, denn Keyserlingk war für ihn eine sehr wichtige Persönlichkeit. Friedrich war ja von Anfang an durch die Familie in ein starres Korsett eingebunden und dem schwierigen Charakter des Vaters, aber auch der Mutter unterworfen und den Kabalen des Hofes. Das war, wie schon betont, wenig freudvoll für ihn gewesen. Als Keyserlingk starb, ging Friedrich, so scheint es, alle Leichtigkeit, besser noch vielleicht Ausgelassenheit, das Gefühl, auch einmal über die Strenge schlagen zu dürfen, verloren. Das ist traurig. Friedrich hält sich fortan an Disziplinierung und Disziplin. Er stellt sich selbst immer in den Mittelpunkt, und das macht ihn tatsächlich hart und führt dazu, dass er zu anderen Menschen nur schwerlich einen persönlichen Zugang finden kann. Immer muss sich alles um ihn drehen. Es ist ein menschliches Defizit, für das die Erfahrungen der Jugend verantwortlich sind, das Allein-auf-sich-gestellt-sein. Friedrich hat das in stillen Stunden bemerkt und bedauert, doch er konnte nicht anders.

Aber der Kreis, den Friedrich in Rheinsberg um sich schart, waren das nicht Freunde nach dem Grundsatz „primus inter pares“?

Nein, man kann in diesem Fall nicht von Freunden sprechen. Die Männer des Rheinsberger Kreises, das waren keine Freunde in unserem heutigen Sinn. Sie konnten auch keine Freunde sein, weil Friedrich sich stets seines höheren gesellschaftlichen Ranges als Kronprinz bewusst blieb und später als König die Verbliebenen von oben herab behandelt hat. Er ist niemals „primus inter pares“, also Erster unter Gleichen gewesen. Er hat gesagt, dass er es sein wollte, aber er hat nicht danach gehandelt.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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