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Kultur: Ein verstörend existentielles Erlebnis

Potsdam - Nach wie vor kann er alle Sympathien des Potsdamer Publikums auf sich vereinen, nicht nur wegen seines dirigentischen Könnens, seiner musikalischen Ausstrahlung, sondern auch wegen seines charmant-sympathischen und souveränen Auftretens: Michael Sanderling, Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Von 2006 bis 2010 leitete er erfolgreich die Kammerakademie Potsdam.

Potsdam - Nach wie vor kann er alle Sympathien des Potsdamer Publikums auf sich vereinen, nicht nur wegen seines dirigentischen Könnens, seiner musikalischen Ausstrahlung, sondern auch wegen seines charmant-sympathischen und souveränen Auftretens: Michael Sanderling, Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Von 2006 bis 2010 leitete er erfolgreich die Kammerakademie Potsdam. Somit war das Sinfoniekonzert mit der Kammerakademie am Samstag im Nikolaisaal wie ein Nachhausekommen.

Mozart spielte im ersten Teil die tragende Rolle. Zunächst erklang die Ouvertüre zur Opera seria „Mitridate“ des 14-jährigen Wolfgang Amadé. In ihr geht es um König Mitridate von Pontus, der nach einer Niederlage gegen die Römer aus dem Krieg zurückkehrt. Er findet seine beiden Söhne vor, die beide nach der Macht schielen und seine Verlobte begehren. Sanderling hat die Musik des jugendlichen Heißsporns Mozart mit Drive und Delikatesse spielen lassen.

Auf Amadé folgt Mozart

Danach musizierte die Kammerakademie die „Mozartiana“, die vierte Suite von Peter Tschaikowsky. In ihr hat er vier unterschiedliche Werke Mozarts orchestriert: zwei kleine Klavierstücke, das „Ave verum corpus“ sowie ein Variationenzyklus als Finale. Das Ergebnis ist immer wieder gewöhnungsbedürftig, da es weder ein echter Mozart noch ein echter Tschaikowsky ist. Doch das Finale besitzt wegen der farbigen Instrumentation seinen Reiz. Sanderlings Tempi sind nicht hektisch, eher gemäßigt. Er gab dem Orchester viel Gelegenheit zu klangvollem Spiel. Die zahlreichen Solostellen des durch stimmige Temporelationen gekennzeichneten Finales waren überwiegend sehr gut gelungen, Transparenz und Intonation vorbildlich. Das große Violinsolo wurde von der Konzertmeisterin Meesung Hong Coleman glanzvoll gespielt. Besonders eine Variation für den Holzbläsersatz ist hervorzuheben, auch das plastisch hervortretende Glockenspiel, das präzise mit den Pizzicati übereinstimmte.

Heiteres ist nach der Pause vorbei

Das Heitere und das Helle des ersten Konzertteils waren nach der Pause nicht mehr zu finden. Michael Sanderling wählte die 1969 entstandene Sinfonie Nr. 14 op. 135 von Dmitri Schostakowitsch aus, eine Sinfonie des Todes. Elf Gedichte, die gegen Tod und Gewaltherrschaft protestieren, Gedichte unter anderem von Lorca, Apollinaire und Rilke. Sie vertonte der russische Komponist für Sopran, Bass und Kammerorchester zu einem seiner düstersten Werke. Schostakowitsch bekannte: „In meiner Sinfonie gibt es nichts Religiöses, Besänftigendes und schließlich Beruhigendes.“ Es wirkt fragmentarisch und ist voller Gedankentiefe und Mitgefühl. Sie hinterlässt aber auch Ratlosigkeit und Nachdenklichkeit.

Die Solisten Viktorija Kaminskaite, Sopran, und Alexander Vassiliev, Bass, beeindruckten durch ihre ausdrucksstarke und zu Herzen gehende Interpretation. Sanderling dirigierte die 14. Sinfonie mit der Kammerakademie (großartig das Cellosolo von Ulrike Hofmann) ganz von innen heraus. Das Verhärmt-Resignative, das zutiefst Traurige dieser Sinfonie wurde zu einem verstörend existentiellen Erlebnis.

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