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Kultur: „Ein Potsdam schöner denn je“

Vortrag in der Urania: Von der Residenzstadt zur sozialistischen Bezirksstadt

Die Zerstörung des alten Potsdamer Stadtbildes in der DDR-Zeit war „kein Nebenprodukt der notwendigen Modernisierung“, sondern wurde von der Politik des SED-Regimes bewusst herbeigeführt. In dieser These fasste Christina Emmerich-Focke in ihrem Vortrag „Von der Residenzstadt zur Bezirkshauptstadt – Potsdamer Architektur und Städtebau in der DDR“ die Ergebnisse ihrer mehrjährigen, mit der Promotion abgeschlossenen Forschungen zusammen.

Der Hass gegenüber der preußischen Vergangenheit habe dazu geführt, das durch hohe Ausstrahlung und Charisma geprägte Potsdamer Stadtbild zu vernichten. Wie die Breite Straße in eine „gesichtslose Schnellstraße“ verwandelt wurde, so seien immer neue Maßstäbe gesetzt worden, die vom alten Stadtbild wegführten. Dies ging soweit, dass alle vor 1918 errichteten Häuser abgerissen werden sollten, einschließlich des Holländischen Viertels.

Der einstigen Residenzstadt wurde die „sozialistische Bezirksstadt“ entgegensetzt, „ein Potsdam schöner denn je“. Die Zerstörung der alten städtebaulichen Struktur wurde erst gebremst, als das SED-Politbüro in den 80er Jahren die „Einheit von Neubau, Modernisierung und Werterhaltung“ verkündete. Insofern, merkte die Architektin ironisch an, könne man Honecker als Retter der Reste des Stadtbildes bezeichnen. Im Holländischen Viertel wurden erste Backsteinhäuschen saniert, für die Gutenbergstraße maßstäbliche Ersatzneubauten entwickelt.

Habe die SED-Politik ihr erstes Ziel, das der Zerstörung, weitgehend verwirklicht, sei sie mit ihrem Gegenentwurf, der sozialistischen Bezirksstadt „schöner denn je“, kläglich gescheitert, meinte Emmerich-Focke, die im Urania-Haus in der mit der Stadtverwaltung veranstalteten Reihe zum Jahr der Architektur sprach. Das Regime habe der politischen Manifestation des neuen Systems oberste Priorität gegeben, zudem habe es an einem tragfähigen Konzept gefehlt, nannte die Architektin als Gründe. Das werde an der Potsdamer Mitte besonders deutlich. Die in Jahrzehnten immer wieder unternommenen Versuche, sie unter Verzicht auf das Stadtschloss zu gestalten, seien letztlich gescheitert. Ohne diesen Bau in seinen originalen Maßen könne am Alten Markt keine befriedigende städtebauliche Situation wiederhergestellt werden. Das Publikum verstand diese Äußerungen natürlich auch als Kommentar zur Ablehnung des Landtagbaus durch die Stadtverordnetenversammlung.

Nicht nur das nach wie vor klaffende „Loch in der Mitte“ zählt zu den städtebaulichen Wunden, die es zu heilen gelte. Emmerich-Focke nannte die unansehnlichen Stadteingänge, die Aufbrechung von Häuserfronten durch rückgesetzte Bauten, das von der Stadtseite nicht zu sehende Theater

Damit ging sie über die DDR-Jahre hinaus und provozierte die Frage aus dem Publikum, ob es angesichts des Bahnhofscenters, der Bebauung des Glienicker Horns und anderer Fehlleistungen denn heute jenes städtebauliche Konzept gebe, das sie für die Zeit vor 1990 vermisse. Die Architektin zog sich geschickt aus der Affäre: Das müsse man Potsdams Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz fragen. Die hält am 13. Dezember im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte den Abschlussvortrag der Reihe. Thema: Die Architektur in Potsdam nach der Wende.

Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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