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Der Journalist Fabian Wolff.

© Andreas Reich

Doch kein Jude: Journalist Fabian Wolff outet sich

In einem auf „Zeit Online“ veröffentlichten langen Bekenntnisschreiben rechtfertigt sich der Autor für seine fälschlich zugelegte jüdische Identität.

Der Journalist Fabian Wolff, der lange glaubte, jüdisch zu sein, hat sich in einem langen Essay auf „Zeit Online“ als „Goj“ geoutet. Wolff hatte in der Rolle eines jüdischen Linken freimütig in politische Debatten eingegriffen und sich kritisch zur Politik Israels geäußert. Anlass, die eigene Geschichte aufzuarbeiten, war – so schreibt es Wolff – der Tod der ihm sehr nahen Mutter.

Er habe angefangen, Fotoalben durchzublättern und Briefe zu lesen, um den Narrativen der Familie einen Sinn zu verleihen. Offen schreibt er dabei von der Angst bei seinen Recherchen: „Jeder kleine Widerspruch, jede Lücke war ein Abgrund.“ Seit der zwölften Klasse sah sich Wolff als Jude.

Ein Gespräch mit der Mutter nach dem Sichten einer Serie sei entscheidend für die Identitätsfindung gewesen. In diesem Gespräch erzählte ihm die Mutter von seiner jüdischen Großmutter, die „frum, mit sheytel und allem“ gewesen und aus einem kakanischen Schtetl nach Leipzig gekommen sei. Für Wolff sei dies eine „Zeitenwende“ im Leben gewesen. „Das war also die Antwort: Mama, wir sind eigentlich jüdisch“, schreibt er.

Ich habe damals meine Wahrheit geschrieben. Jetzt haben sich die Fakten geändert, und somit auch meine Wahrheit, die ich hier teile, ohne zu wissen, was damit beginnt.

Fabian Wolff

In den folgenden Jahren positionierte sich Wolff als Autor und äußerte sich darüber, „wie das so war als junger Jude in Deutschland“. Sein Debüt hatte er in der „Jüdischen Allgemeinen“ mit einem Essay über seine jüdische Generation. Das Schreiben und öffentliche Sprechen über das Jüdischsein blieb auch danach für Wolff das entscheidende Thema. Später kam er davon ab und schrieb für viele Zeitungen über Musik, Literatur und Filme, darunter auch für den Tagesspiegel.

Druck zur Richtigstellung

Wie er in dem Essay zugibt, kam der Druck zur Aufarbeitung oder auch Richtigstellung seiner Identität aus der jüdischen Community. Freunde legten ihm DNA-Tests nahe, die er ablehnte. Im April 2022 beantragte er schließlich die Meldekartei seiner Großmutter im Leipziger Staatsarchiv. Die Durchsicht ergab, dass sie nicht jüdisch war, folglich auch nicht er. Mit seinem langen erklärenden, aber auch zur Selbstzerfleischung neigenden Essay hat er dies nun publik gemacht.

Fabian Wolff ist nicht der Erste in Deutschland, der mit einem solchen oder ähnlichen Vorwurf konfrontiert wird. So gab es 2021 eine heftige innerjüdische Debatte, ob der Autor Max Czollek jüdisch sei. Czollek konnte lediglich auf einen jüdischen Großvater verweisen: Der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, zufolge, das Matrilinearität verlangt, ist er also kein Jude.

Der Hohn bei Wolff ist unterdessen groß. Während der Historiker Michael Wolffsohn in der „NZZ“ sich immerhin dafür aussprach, jemanden, der schon am Boden liege, nicht weiter zu treten, griff ihn Philipp Peyman Engel, der Chef vom Dienst der „Jüdischen Allgemeinen“, als „Kostümjuden“ an.

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