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Kultur: Diktatur des Poetariats im Barberini Wie Poetry Slammer

auf DDR-Kunst trafen

Nicht die Wende war das Wunder, sondern, dass die DDR überhaupt so lange gehalten hat, findet Volker Strübing: „Mir erschien dieser Staat im Nachhinein wie ein schlampig gebautes Kartenhaus, wo sich keiner getraut hat, gegenzupusten.“ Eine von vielen treffenden Sentenzen zwischen Witz und Nachdenklichkeit, die am Donnerstag im Museum Barberini zu hören waren. Im Rahmen der DDR-Kunst-Schau „Hinter der Maske“, die am Sonntag zu Ende geht, hatte das Museum fünf hochkarätige Poetry Slammer zu „Barberini After Five“ eingeladen.

Der Bezug zur Ausstellung blieb freilich sehr lose, schließlich trugen die Autoren Texte vor, die sich schon auf einigen Poetry Slams bewährt haben. Dem Unterhaltungsfaktor des Abends tat dies keinen Abbruch, obwohl fast die Hälfte der rund 150 Besucher noch nie bei einem Poetry Slam war, wie Moderator Julian Heun zu Beginn durch Handzeichen ermittelte.

Der erste Text heißt „Meine Mauer“ von Volker Strübing. „Keiner unserer Eltern hatte spannende Berufe, alle waren funktionierende Rädchen im Getriebe und das sollten wir auch werden“, heißt es in der lakonischen Nachbetrachtung einer DDR-Schulzeit der späten 1980er Jahre. „Alle funktionierten, alle waren unzufrieden und hatten sich in ihrer Unzufriedenheit eingerichtet.“ Nach der Wende dann der Schock: Strübing kauft sich in Westberlin einen Royal TS-Hamburger bei McDonalds – doch der ist labberig. „Labberig konnten wir selber.“

Kirsten Fuchs erzählte in „Der Nachtschrank“ davon, wie sie versucht, an ihre alten Jugendtagebücher aus der Wendezeit heranzukommen, die sie in ihrem Nachtschrank eingeschlossen hatte. Ihr Verhältnis zum Arbeiter-und-Bauern-Staat ist ambivalent: „Ich hab die DDR ganz furchtbar geliebt, und das ist mir peinlich – ich war zwölf, als die Mauer fiel.“ Und plötzlich, so Fuchs, sagten alle Erwachsenen, die ihr vorher eingebläut hatten, sie solle die DDR lieben, das genaue Gegenteil.

Ein Thema der Barberini-Ausstellung ist das Verhältnis zwischen Kunst und Arbeiterklasse, dem sich Temye Tesfu in seinem Gedicht „Der Künstler lebt nicht vom Applaus allein“, widmet: „Ich komme ja aus einer Arbeiterfamilie, deshalb fühlt sich das, was ich hier mache, nicht wirklich wie Arbeit an“, sagt Tesfu. Und wie hoch sei schließlich der Nährwert eines Lorbeerkranzes, inwieweit eignet sich ein Stabreim zum Stäbchenessen, wer schenkt dem Bäcker Applaus, fragt Tesfu in seinem Text?

Über das schwierige Verhältnis von Kunst und Macht fabuliert Noah Klaus in seinen „Memoiren eines literationalsozialistischen Diktators“: Ein von der Kritik geschmähter Poet schließt sich aus Frust der „Nationalsprachlichen Dichter- und Autorenpartei“ an und schwingt sich zu deren Führer, nein, natürlich zu deren Lyra auf. Nun herrscht die „Diktatur des Poetariats“, und: „Wer gegen mich aktiv gewesen / dem wird ‚Feuchtgebiete' vorgelesen!“

Der Publikumsapplaus schickt Fuchs und Klaus in die Finalrunde, aus der Fuchs als Siegerin hervorgeht, diesmal ohne DDR- oder Kunstbezug. Der ist auch nicht nötig, denn wirkliche Synergien zwischen Ausstellung und Poetry Slam haben sich ohnehin nicht ergeben – was kein Beinbruch ist. Der Titel „Best Of Poetry Slam“ stimmte auch so.Erik Wenk

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