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Baut ihre eigenen Städte. Eva Kowalski inmitten ihrer Collagen.

© Manfred Thomas

Kultur: Die Wüstenwanderin

Eva Kowalski gehört zur Künstlergruppe „Iwan“, die derzeit in einer Kunstwerk-Ausstellung den Einzelnen hervortreten lässt

Mit dieser erdig roten Farbe malten bereits die alten Ägypter ihre Grabkammern aus. Auch Eva Kowalski verwendet sie gern auf ihren Collagen, die derzeit innerhalb der Ausstellung der Künstlergruppe „Iwan“ im KunstWerk warmtönend leuchten. Die Malerin findet dieses Farbpulver während ihrer Erkundungen in der Wüste. Seit Tausenden von Jahren lagert es dort in Felsspalten. Natürlich ist ein geschultes Auge Voraussetzung für solcherart Entdeckung. Als Tochter eines Geologen lernte die Potsdamer Künstlerin frühzeitig, tiefer zu schauen. Wenn sie heute die Welt durchquert, füllen sich fast wie von selbst die mitgebrachten Marmeladengläser und kleinen Plastiktütchen mit Steinen, Sanden und Farbpigmenten. Bei ihren Wanderungen durch Wüste und Gebirge zählt nicht die schnelle Verbindung von A nach B. Eva Kowalski kostet die Momente aus, sieht zweimal hin, bevor sie den heißen Sand unter die Füße nimmt. Wenn sie nachts im Freien unterm Sternenhimmel schläft, ist das nicht immer gemütlich. Aber sie hat Zeit, den Geheimnissen nachzuspüren, die ihr die Natur zuraunt. Sie nutzt das Wissen der Beduinenführer, hat aber auch selbst den Blick dafür, was in aufgeschichteten Gesteinsmassiven verborgen sein könnte. Die Magie der Orte zu erfassen, alte abgelagerte Dinge freizulegen und daraus neue entstehen zu lassen, das macht die Kunst der umtriebigen 58-jährigen Malerin aus.

Nicht immer muss sie bis nach Afrika reisen, um die Atmosphäre verwaister Orte aufzuspüren. Zu den 13 Bildern, die sie derzeit im KunstWerk zeigt, sind auch Fotografien vom Stahl- und Walzwerk Brandenburg von Anfang der 90er Jahre, die den morbiden Charme des Verfallsprozesses in Doppelbelichtung sinnkräftig offenbaren. Auch leer gezogene Russenkasernen hielt sie fest: mit dem zurückgebliebenen Geist, der erst nach dem Abzug der Soldaten zu sprechen begann – durch Wandzeichnungen, herrenlose Objekte.

Inzwischen hat Eva Kowalski den Fotoapparat zur Seite gelegt. Durch die Digitaltechnik ist eine Beliebigkeit entstanden, die sie nicht mehr reizt. Sie „baut“ jetzt ihre eigenen Städte: in Bildern, die nicht nur die mit Holzleim und Wasser angerührte Farbe der Wüste tragen, sondern auch andere Fundstücke, wie plattgewalzte Metallteile oder arabische Schriftzüge, die sie auf verwehtem Zeitungspapier dingfest macht. Manchmal reicht ein abgerissenes Stück Karton einer Getränkepackung, um mit schnellem Strich ihre Sicht auf die Welt einzufangen.

Gern baut Eva Kowalski auch ganze Räume. Doch dazu ist in dieser Ausstellung kein Platz. Die Malerin ist hier Teil von „Iwan“, der siebenköpfigen Gruppe, die sich vor 15 Jahren zusammengeschlossen hat: Wie ein Orchester, nur ohne Dirigent. Der Name „Iwan“ spielt dabei mit dem oft etwas trotteligen, in seinen Ideen aber durchaus genialen jungen Mann in russischen Märchen, der am Ende die Prinzessin bekommt. „So kann Kunst sein: lebensverändernd, existentiell. Das gefällt uns“, sagt Eva Kowalski lächelnd und ihr Gesicht zeigt immer wieder die herrlich lebendigen Grübchen.

Im jetzigen Ausstellungsfall geht es aber nicht um gemeinsame Projekte von „Iwan“, mit denen sie frech und muterprobt Kirchen, Bahnhöfe, Friedhöfe, Wartehallen oder Kuhställe mit neuer Stofflichkeit füllen. Hier geht es um die „Bestimmung des Subjekts“, tritt jeder Einzelne, der zu „Iwan“ gehört, aus der Gruppe heraus. Die Namen sind schnell aufgezählt: Lore Sadowski, Monika und Günter Olias, Jeannette Goldmann, Edith Wittich, Karl-Heinz Kowalski und eben seine Frau Eva. Doch was jeden ausmacht, mit seinen Gouachen, Aquarellen, Fotografien oder Klangcollagen, bedarf einer gründlicheren Betrachtung und den eigenen Weg in die Ausstellung.

Die hier vorgenommene „Bestimmung des Subjekts“ beschränkt sich auf die einstige Textilgestalterin Eva Kowalski, die längst die Grenzen des Materials gesprengt hat. So wie sie auf ihren Reisen die Grenzen übertritt. „Ich will die Dinge wirklich sehen, mit eigenen Augen.“ Die studierte Kybernetikerin verlässt sich nicht auf Zeitungsbilder mit ihrer Sensationshascherei. Sie schärft in ihren Collagen durch das Ineinandergreifen weggeworfener, scheinbar vergessener Nebensächlichkeiten den Blick fürs Alltägliche.

Früher leitete die Diplomingenieurin im Karl-Marx-Werk in Babelsberg einen Textilkurs und fand dort ihr kreatives Schlupfloch. Nach dem Mauerfall öffneten sich ganz andere Perspektiven, gerade im freien Arbeiten. „Wir gründeten den Offenen Kunstverein, in dem sich Kursleiter verschiedener Genre zusammentaten: generationsübergreifend.“ Mit „Iwan“ entwickelte sich noch einmal eine ganz eigene Marke: aus unternehmungslustigen Frauen in etwa gleichem Alter. Alle mit starkem Ego, aber ohne Platzhirschgebaren. „Anfangs sind die Kinder bei Iwan mitgereist. Jetzt, wo sie erwachsen sind, können wir noch unabhängiger unsere Ideen umsetzen“, freut sich Eva Kowalski, die Frau in den Turnschuhen und mit der schwarzglänzender Kette aus Eisenoxyd am Hals. Auch diesen geheimnisvollen Funkelstein hat sie in der Wüste gefunden. Heidi Jäger

„IWAN. Die Bestimmung des Subjekts!“, bis 25. März, KunstWerk, Hermann-Elflein-Str. 10, Mo - So, 15 bis 19 Uhr

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