zum Hauptinhalt

Kultur: Die Umerziehung der Vögel

Hans-Hendrik Grimmling präsentierte seine Autobiografie in der Stadt- und Landesbibliothek

„Ich rede gerne über mich“, sagte der Maler Hans-Hendrik Grimmling mehrmals an diesem Abend. Und es machte - um es gleich vorab zu sagen - auch Spaß, ihm dabei zuzuhören. Grimmling, der 1947 in Zwenkau bei Leipzig geboren wurde, ist spätestens seit den großen Einzelausstellungen im vergangenen Jahr im Kunstraum und in der Galerie Sperl in Potsdam kein Unbekannter mehr. Der Mitinitiator des legendären „1. Leipziger Herbstsalons“ von 1984 hat jetzt seine Autobiografie „Die Umerziehung der Vögel“ gemeinsam mit der Journalistin Doris Liebermann herausgebracht. Am Montagabend war er in der Stadt- und Landesbibliothek zu Gast und stellte sie in der neuen Reihe „Buch aktuell“ der Friedrich-Naumann-Stiftung vor.

Schnell geriet man als Zuhörer in den Bann seiner Worte, lauschte nicht nur den witzigen Episoden vom Beginn seines „wilden“ Malerlebens sondern konnte sich den prägnanten Schilderungen seiner Kindheitslandschaft kaum entziehen. Mit wenigen eindrücklichen Worten beschreibt er deren gnadenlose Zerstörung durch den vorrückenden Braunkohlebergbau, der Schwarz in vielen Schattierungen zur alles beherrschenden Farbe werden lässt. Das gräbt sich in seine Kinderseele genau so ein wie die sächsische Version der Schwarzen-Mann-Figur.

Beides wird ihn begleiten und als Essenz immer wieder aufscheinen in seinen Bildern und Texten. Denn auch die gibt es - sie stehen im Kontext zu seinen Bildern - von Anbeginn seiner künstlerischen Tätigkeit. Aus sehr persönlichen Reflektionen über die eigene Herkunft und das Werden als Maler, Briefen an Freunde und Verwandte und sogar eigenen Versen entstand das collageartige und oft fesselnde Erinnerungs-buch. Dass nicht nur wesentliche Teile der Dresdner und Leipziger Kunstszene der frühen 70er und 80er Jahre „abbildet“ sondern vieles von der inneren Zerrissenheit des früh Unangepassten spiegelt. Ebenso wie das Scheitern von Liebesbeziehungen und häufige Alkoholexzesse. Ein Höhepunkt des Buches ist sicher die Schilderung der Umstände, des an allen staatlichen Institutionen vorbei geplanten und durchgeführten Herbstsalons oppositioneller Maler 1984 in Leipzig, den Grimmling mit fünf anderen Kollegen initiierte. Die „begleitenden“ Stasiakten sind ebenfalls nachzulesen.

Grimmlings bereits 1978 entstandenes Triptychon „Die Umerziehung der Vögel“, das dem Buch den Namen gab, zeigt „die Gewalttätigkeit von Erziehungsmustern in traumatisierten Figuren, die durch die Anmaßung, fliegen zu wollen, zu Stürzenden werden“, schreibt die Journalistin Doris Liebermann anlässlich des 60. Geburtstag des Künstlers. Sie war es auch, die den Maler immer wieder ermunterte, das ambitionierte Buchprojekt in Angriff zu nehmen. Entstanden ist ein sehr persönliches und darüber hinaus zeitgeschichtlich interessantes Dokument vom Anfang bis fast zum Ende der ehemaligen DDR.

Grimmling hat den eigenen „Käfig“ - er lebte bis 1986 hier – transparent gemacht, nicht nur schon frühzeitig mit seinen Bildern sondern jetzt auch mit seinen berührenden und oft poetischen Schilderungen. Die Metaphern seiner Bilder – beispielsweise Menschen mit schwarzen Flügeln, ineinander verknotete Formen und Argonautisches – finden sich auch in seinen Texten wieder. Nicht buchstäblich sondern als Geisteshaltung. Darüber hinaus sind manche Texte auch mit einer guten Portion Humor gewürzt, mit der der frischgebackene Autor seine zahlreichen Zuhörer am Montag – unter ihnen nicht wenige Potsdamer Künstler und Weggefährten – anspruchsvoll unterhalten hat. Astrid Priebs-Tröger

Hans-Hendrik Grimmling, „Die Umerziehung“ der Vögel“, Mitteldeutscher Verlag Halle

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false