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Kultur: Die Mutter, Quell der Liebe

Pergolesis Stabat Mater erklingt am Sa,stah beim Osterkonzert der Kammerakademie Potsdam

Das mittelalterliche Stabat-Mater-Gedicht ist auch eine Huldigung an die Mutter, aus welcher Kultur oder Nation sie auch stammen mag. Zwar ist der christliche Kontext unverkennbar, denn es geht um das Leid der Mutter Maria im Angesicht der Passion ihres Sohnes Jesus Christus. Doch wenn es heißt: „Da steht die Mutter, Quelle der Liebe“, werden alle Mütter der Welt angesprochen.

Dieser Moment der biblischen Geschichte erlangte in der katholischen Religion Kultstatus und inspirierte viele bildende Künstler und Komponisten. Zu den bekanntesten Werken gehört das Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi, das im 18. Jahrhundert die meistgedruckte Partitur in ganz Europa wurde. Kein anderer als Johann Sebastian Bach führte das Werk erstmalig in Deutschland auf, wenn auch mit einem anderen Text, was seinem protestantischen Glauben geschuldet war. Nun erklingt Pergolesis Stabat Mater am Ostersamstag um 18 Uhr beim Osterkonzert der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal. Die musikalische Leitung hat Werner Ehrhardt, ein renommierter Spezialist für Alte Musik, der erstmalig mit dem Orchester zusammenarbeitet. Pergolesis Komposition habe eine Zeitenwende in der Musik eingeleitet, sagte Ehrhardt den PNN. Mit ihren theatralischen Elementen verweist sie einerseits auf die neapolitanische Operntradition, andererseits verströmt sie eine starke persönliche Empfindsamkeit. Pergolesi löste die starren Muster und Formen des Barock und führte sie in eine neue Klangwelt. Das Unglaubliche sei aber, meint Ehrhardt, „dass Pergolesi der Musik bei allem Schmerz und aller Hoffnungslosigkeit Leichtigkeit und Licht gibt. So bekommt die Musik etwas sehr Tröstendes“. Als Sängerin wurde Katja Stuber verpflichtet, deren „glockenheller, starker Sopran“ (FAZ) schon die erfolgreiche Inszenierung von Jephta bei der Potsdamer Winteroper 2013 himmlisch erleuchtete. Wie damals übernimmt die theatralische Einrichtung jetzt Lydia Steier, die inzwischen eine gefragte Opernregisseurin an großen Häusern in Deutschland und der Schweiz ist.

Obwohl ihre Inszenierung für das Potsdamer Osterkonzert nur einmal gezeigt wird, ist das für die gebürtige Amerikanerin keine kleine Sache. Die Themen, das Leid von Maria und die Martern von Jesus, seien episch und anrührend, sagt Lydia Steier und fügt hinzu, dass die Geschichte auch viel von weiblichem Schmerz und weiblicher Kraft erzählen würde. Für die Regisseurin, die zugleich ausgebildete Opernsängerin ist, bildet die Musik eine wesentliche Grundlage ihrer Arbeit. Sie versteht es als glücklichen Umstand, dass dem Stabat Mater kein Libretto mit dramatischen Wendepunkten zugrunde liegt. Vielmehr hat sie hier beste Möglichkeiten, um sich der Musik direkt zu nähern. Was umso mehr einleuchtet, alldieweil in Pergolesis Werk die beiden Gesangsstimmen wie ein Austausch zwischen zwei Menschen anmuten, höchst differenziert und nicht immer harmonisch. Diese Interaktion wird von zwei Schauspielern dargestellt, die selbstverständlich einen Bezug zur Musik haben müssen. „Die Musik sichtbar zu machen, war der Ausgangspunkt für mich als Opernregisseurin“, erklärt die Regisseurin und nennt als weitere Inspirationsquelle Colm Tóibíns großartigen Roman „Marias Testament“, in dem die biblische Geschichte gehörig gegen den Strich gebürstet wird.

Im zweiten Teil des Osterkonzerts erklingen Werke europäischer Komponisten, die – abgesehen von ihren musikalischen Qualitäten – zeigen, dass in der Musik schon immer ein Ideen- und Gedankentransfer über nationale Grenzen hinaus stattgefunden hat. Ausgerechnet ein Italiener, Jean-Baptiste Lully, wurde zum Begründer des französischen Stils in der Musik. Seine berühmte Passacaille zeugt vom sprühenden Einfallsreichtum des Komponisten, der wohl nur von Jean-Philippe Rameau übertroffen wurde. In seiner Oper „Les Indes galantes“ (Das galante Indien) eröffnete der größte Barockkomponist Frankreichs dem staunenden Publikum neue Welten. Die daraus speziell für das Osterkonzert von Werner Ehrhardt zusammengestellte Suite führt die Europäer zu den Indianern von Süd- und Nordamerika und klingt beim gemeinsamen Rauchen der Friedenspfeife zum Klang einer glanzvollen Chaconne friedlich aus. 

Babette Kaiserkern

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