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Kultur: Die Kraft der Performance

Monika Weiss in der Inter-Galerie / Sich stetig verändernde Installation

Monika Weiss in der Inter-Galerie / Sich stetig verändernde Installation Angestrengt, isoliert und doch von vielen Menschen umgeben lag die ganz in schwarz gekleidete Künstlerin auf einem Oval aus aufgeschlagenen Büchern, die sich siebenreihig zum Zentrum hin drängten, und begann langsam aus ihrer Embryonalhaltung zu erwachen. Ihre Arme bewegten sich über die Buch- und Notenseiten, ihre Finger hielten Kohlestifte, mit denen sie auratisch scheinende Grenzziehungen um ihren Körper vornahm und ihn so zum Zentrum des künstlerischen Prozesses machte. Die hilflosen Buchseiten, Notenhefte und Skizzen erhielten eine schwarze Strich-Zeichnung, bei der manchmal auch die Seite riss. Unbeeindruckt arbeitete sich Monika Weiss weiter, ihre Kopfadern drohten vor Anstrengung zu platzen, sie änderte ihre Haltung, legte sich längelang, verharrte wieder, zeichnete erneut. Die Vernissage-Besucher am Freitag Abend in der Inter-Galerie standen stumm in dem „Milczenie“ (Ruhe) genannten Raum, während aus dem Phlegethon (Feuerfluss) genannten Nebenraum das Knistern und Krächzen, das Züngeln und Brausen einer Feuersbrunst drang, die dort auch an die Wand projiziert wurde. Spannung herrschte allenthalben, und das Rätsel wurde auch dann nicht aufgelöst, als menschliche Stimmen das Feuergeräusch überlagerten oder als am Ende ein Gesang des Soprans Anthony Roth Constanza erklang, der wirkte, als sei er nicht von dieser Welt. Vieldeutigkeit ist sicher eines der Prinzipien, mit denen die in Polen geborene und in New York lebende Künstlerin Monika Weiss arbeitet. Das Arrangement eröffnete mehrere Assoziationsräume, in denen sich aber für uns wohl vor allem die deutsche Hoch- und die Niederstkultur des Dritten Reiches ein bemerkenswertes Stelldichein gaben. Je länger das Schweigen der Zuschauer dauerte, um so stärker wurden die offenbar aus familiärer Erinnerung rührenden Bewegungen der Künstlerin zu einem Memento mori, das nicht nur den Holocaust, sondern ganz konkret auch die Bücher- und damit Kulturverbrennung meinte. Oder meinen könnte. Die Stärke der Installation liegt im Nichtgesagten, im nur Angedeuteten, und nicht zuletzt im Prozesshaften des Erlebnisses. Laut Begleitpapier dürfen die Besucher an der Veränderung der Papierskulptur aktiv oder passiv Teil haben. Manche wagten sich denn auch, die Aura des Kunstwerkes lustvoll erobernd, an die aufgeschlagenen antiquarischen Dokumente deutscher Hochkultur heran, und lasen lachend, staunend oder an die Schulzeit denkend das Heidenröslein, Heine oder den gerade so hilflos verehrten Schiller. Zurück gelegt wurden die Bücher wie die menschliche Körper zeigenden Skizzen scheinbar achtlos in das vordergründig zufällig zusammengestellte Ensemble. Der Prozess der sich stetig verändernden Installation wird von einer an der Decke angebrachten Kamera dokumentiert und im Feuerflussraum als Video gezeigt. Womit eine weitere Interpretations-Dimension eröffnet wäre. Big Brother als neutraler, unbestechlicher, ständig anwesender Kommentator. Nichts bleibt ungesehen, es gibt kein naiv-intimes Verhältnis mehr zwischen Werk und Betrachter. Die Zeit der Unschuld ist vorbei. Gegen die starke Installations-Präsenz in den oberen Räumen wirken die Videodokumentation einer weiteren Performance der Künstlerin sowie die gerahmten Skizzen im Erdgeschoss wie ein schwacher Abglanz. Ein Höhlengleichnis, vielleicht. Lore Bardens Monika Weiss, Installation, Performance, Video, Sound, bis 10.4., Inter-Galerie im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10/11

Lore Bardens

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