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Kultur: Die Kleidersammlung der Jugo

Im Filmmuseum wurde eine Ausstellung über einen der bestbezahltesten Ufa-Stars eröffnet

„Wer war Jenny Jugo?" fragt gleich zu Beginn das Begleitheft zur Ausstellung „Jugo. Filmgeschichte in Kleidern“ im Filmmuseum Potsdam. Keine schlechte Frage, zeugt sie doch von Interesse an Wissen und Erkenntnis. Im Fall von Jenny Jugo hat diese Frage noch einen anderen Hindergrund. Wer kennt heute schon Jenny Jugo? Obwohl sie zwischen 1925 und 1950 rund 50 Filme gedreht hat, hat keiner dieser Filme Filmgeschichte geschrieben. Ihre größten Erfolge feierte Jenny Jugo während der Nazi-Zeit, wo sie übrigens nach Paula Wessely die höchsten Gagen verdiente, auf Anweisung von Propagandaminister Goebbels 80 000 Reichsmark Pauschalgehalt sowie Steuervergünstigungen bekam.

Rund 40 Kostüme aus Filmen, in denen Jenny Jugo die Hauptrolle spielte, sowie rund 100 textile Stücke und Accessoires sind in dieser opulenten Schau im Filmmuseum zu sehen. Ballkleider, Tanzkleider, Glitzerkleider, Abendroben, Berufskleidung. Stolz verweist man darauf, dass es sich um die größte geschlossene Filmkostümsammlung aus den frühen Jahren des deutschen Kinos handelt. Für Kostümhistorikerinnen und Fans von nostalgischem Modedesign ist da sicher manches zu entdecken.

Interessanter ist wohl die Frage nach den Filmen, in denen die Jugo spielte. Aufschluss geben schon Titel, wie „Wer nimmt die Liebe ernst?“ (1931), „Ich bleib bei dir“ (1931), „Fräulein Frau“ (1934), „Herz ist Trumpf“ (1934), „Pechmarie“ (1934), „Allotria“ (1936), „Es leuchten die Sterne“ (1938), „Unser Fräulein Doktor“ (1940), „Viel Lärm um Nixi“ (1940), „Die Gattin“ (1940). Durchwegs Massenware, leichte Unterhaltungsfilme, die die Stimmung heben und ablenken sollen. In der Geschichte des Films von Ulrich Gregor und Enno Patalas kann man lesen: „Schon 1934 wurden ,die Partei und ihre Gliederungen“ für den Film tabuiert ... die NS-Propagandisten erkannten richtig, dass sie ihren Zielen nachhaltiger dienen konnten, wenn sie sie hinter der Maske unpolitischer Unterhaltung verbargen oder im Gewand historischer Gleichnisse vortrugen.“ Leider werden diese Tatsachen im Begleitheft in der Ausstellung nicht erwähnt. Dafür wird darauf verwiesen, dass Jenny Jugo den „Linksintellektuellen“ Regisseur Erich Engel geschützt habe, indem sie darauf beharrte, nur mit ihm zu drehen. Doch sie drehte nicht nur mit Engel, der später Filme für die DEFA inszenierte, sondern auch mit zahlreichen anderen Regisseuren, wie häufig auch mit dem rechtslastigen Carl Boese, einem Meister der populären Massenware, der seine Karriere in der Bundesrepublik fortgesetzt hat.

Bei genauerer Betrachtung kann man interessante Geschichten entdecken, die in der Ausstellung freilich nicht angesprochen werden. Vielmehr setzt man auf oberflächliche, einseitige Darstellung und man bekommt den Eindruck einer nachträglichen Glorifizierung. Dabei gelangt eine Schauspielerin zu Ehren, die eine große Nutznießerin der Nazi-Diktatur gewesen ist und mit ihren Filmen wesentlich zur Verbreitung der Durchhalteparolen beigetragen hat. Die Geschichte der Jenny Jugo führt außerdem exemplarisch vor, wie sich ein Einzelner mit der Diktatur nicht nur arrangieren kann, sondern sogar noch von ihr persönlich profitiert. Materiell und als „erklärter Liebling Hitlers“, „als Gottbegnadete auf Goebbels Liste“, wie man in Ausstellung und Begleitheft lesen kann. Dort steht auch, dass Jugo das Haus des jüdischen Regisseurs Eric Charell „zu treuen Händen“ übernahm, nachdem diesem 1933 von der Ufa gekündigt worden war.

Das Filmmuseum Potsdam gibt erstaunlicherweise der Schauspielerin „Eine Liebeserklärung“. So auch der Titel des Begleitheftes lautet.

Zudem floss eine erkleckliche Summe an öffentlichen Geldern in den Ankauf der Kostüme, über deren Höhe man sich im Filmmuseum ausschweigt. Babelsberg hin, Ufa-DEFA her – ein gewisses Gespür für Inhalte und Werte sollte bei aller eifrigen Kleidersammelei vorhanden sein. Schade, denn mit der bei diesem Fall besonders gebotenen kritischen Distanz und mit objektiverer Darstellung hätte die Ausstellung sogar interessant sein können. So aber haftet ihr ein schlechter Beigeschmack an. Ganz zu schweigen von der nicht beantworteten Ausgangsfrage.

Jenny Jugo – Filmgeschichte in Kleidern, Filmmuseum Potsdam, bis 30. März 2008,

Babette Kaiserkern

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