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Kultur: Deutschnational erzogen, als Jude geächtet

Filmmuseum eröffnet Montag die Foyerausstellung „Überlieferte Erinnerung“ mit Zeitzeugen und Filmpremiere

Filmmuseum eröffnet Montag die Foyerausstellung „Überlieferte Erinnerung“ mit Zeitzeugen und Filmpremiere Von Heidi Jäger Die Mutter ist stolz auf ihre Söhne. Alle fünf ziehen freiwillig in den Krieg, um für das deutsche Vaterland zu kämpfen. Auch als einer von ihnen bei den ersten Schlachten 1914 auf der Strecke bleibt, rühmt die Mutter die Tapferkeit ihrer Kinder. Sie ist wie auch ihr Mann jüdischer Abstammung, doch beider Herz schlägt deutschnational. In diesem assimilierten Geiste der Eltern wächst auch Sohn Hans heran, der jetzt durch eine Foyerausstellung im Filmmuseum posthum zu Ehren gelangt. Der Name Hans Heidenheim war bislang in keinem cineastischen Verzeichnis enthalten und nur der Zufall brachte das Filmmuseum auf seine Spur. Doch da beginnt die Geschichte kompliziert zu werden, denn schließlich wird in der Ausstellung noch an einen zweiten jüdischen Filmemacher erinnert, dessen Biografie sich mit der von Hans Heidenheim kreuzte: William Schönland. Doch der Reihe nach: Hans Heidenheim, 1887 in die Chemnitzer Kaufmannsfamilie hinein geboren, entkam ungeschoren der tödlichen Maschinerie des Ersten Weltkriegs. Er fühlte sich nach dem Gemetzel des Schlachtfelds von der bunten Flimmerwelt des Kinos angezogen und gründete selbst ein kleines Filmgeschäft. Da die eigene Firma aber nicht so recht lief, ging er 1927 zur Ufa nach Babelsberg und avancierte dort schnell zu einem der besten Verkaufsleiter, der die Filme speziell in Nordrhein-Westfalen erfolgreich in die Kinos brachte. Kurz vor 1933 wurde er mit der Ufa-Nadel ausgezeichnet. Doch nicht lange währte die Freude über diesen Ruhm. Hans Heidenheim gehörte wie auch Erich Pommer oder Eric Charell zu den ersten, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung den Filmbetrieb verlassen mussten. Wie Elke Schieber, die Leiterin des Filmmuseum-Archivs, erzählt, habe man seine Entlassung allerdings nur damit begründet, dass die Bedingungen, unter denen er eingestellt wurde, nicht mehr gegeben seien. Dieses Kündigungsschreiben ist in der kleinen Ausstellung zu sehen. Hans Heidenheim wehrte sich, schrieb einen dreiseitigen Brief an die Ufa-Zentrale. Er betonte darin seine deutsche Gesinnung, seinen römisch-katholischen Glauben und seine Ehe mit einer Christin. An der Kündigung änderte das nichts. Er musste Zwangsdienste leisten und irgendwie versuchen, seine vier Söhne durchzubringen. Hans Heidenheim überlebte und stellte sich im Mai 1945 sofort wieder in die Dienste des Films. Er bekommt die Lizenz für die Bespielung des Europapalastes Düsseldorf, den er mit dem Jannings-Film „Altes Herz wird wieder jung“ eröffnet. Doch in den Schaltzentralen der Ufa sitzen noch immer die gleichen Leute wie unter Hitler. Sie machen dem jüdischen Kollegen das Leben schwer. Auch die ihm zustehende Entschädigung wird Hans Heidenheim von der Ufa verwehrt. Kurz nach seinem 60. Geburtstag stirbt der Filmenthusiast - sicher nicht ohne Verbitterung. Auch William Schönland – die zweite Ausstellungsbiografie – arbeitete ab 1932 bei der Babelsberger Ufa als Tonassistent, ohne allerdings auf Hans Heidenheim zu treffen. Schönland konnte bis 1936 bei der Filmgesellschaft bleiben: Als Olympiateilnehmer war er geschützt. Der Jiu-Jitsu-Kämpfer ging nicht als einziger Jude an den Start. Doch zwei Tage nach Ende der Olympiade stand die Gestapo vor seiner Tür. Zum Glück war er nicht zu Hause und konnte in letzter Sekunde bei einem Ufa-Kollegen untertauchen. Wie Elke Schieber bei ihren Nachforschungen erfuhr, überlebte Schönland nicht zuletzt aufgrund seines Mutes und einer gewissen Schlitzohrigkeit. Er klaute bei der Ufa Briefpapier mit Kopfbogen und stellte sich selbst eine Dienstreise nach Amsterdam aus. Dort ging er in den Untergrund und fälschte massenhaft Ausweise für jüdische Emigranten. In der Nähe von Amsterdam wurde schließlich für den endlosen Strom der Auswanderer das Lager Westerbork gegründet. Ursprünglich gut gedacht, wandelten es die Nazis nach der Besetzung Hollands kurzerhand in ein Konzentrationslager um. Dort arbeitete Schönlands Frau in der Verwaltung des Judenrates, ständig in der Angst, von den täglich nach Auschwitz abgehenden Deportationen bald selbst betroffen zu sein. William Schönland ging aus freien Stücken nach Westerbork, um in der Nähe seiner Frau zu sein. Beiden gelang aufgrund der Fälschertricks von William die Flucht. Die Schönlands wurden als vermisst erfasst. Bis Kriegsende arbeitete William Schönland wieder im Amsterdamer Untergrund und wurde danach mit hohen Ehrenbezeugungen niederländischer Staatsbürger. Um die Nazis dingfest zu machen, stellte er sich dem niederländischen Geheimdienst zur Verfügung. Dann arbeitete er bei einer amerikanischen Filmfirma in Israel und bekam schließlich das Angebot, bei der deutsch-jüdischen Filmfirma Gustav Heidenheims bei Düsseldorf einzusteigen. Und hier verschränken sich die Biografien der Heidenheims und Schönlands. Denn Gustav ist der älteste Sohn Hans Heidenheims und war ebenfalls in der Nazizeit nach Amsterdam emigriert. Dort lernte er auch Schönland kennen. Gustav überlebte anders als sein Bruder Walter die verschiedenen Konzentrationslager. Sein Wiedersehen und seine filmische Zusammenarbeit mit William Schönland dauerte bis in die 70er Jahre an. William, alias Willi, ist inzwischen 88 Jahre und noch immer in Sachen Film unterwegs. Wenn am Montag um 19.30 Uhr die Ausstellung eröffnet wird, geschieht das in seinem Beisein. Und noch jemand wird kommen: Till Heidenheim, der jüngste der vier Heidenheim-Söhne. Er war es auch, der die Idee für das Ausstellungsprojekt „Überlieferte Erinnerung“ ins Rollen brachte. Vor etwa zwei Jahren besuchte Till Heidenheim das Filmmuseum und stieß in der dortigen Dauerausstellung beim Kapitel über deutsche emigrierte Juden auf den Namen seines Bruders Gustav. Als Dank übergab er dem Museum Dokumente aus dessen Nachlass und auch vom Vater Hans Heidenheim. Und zu guter Letzt reiht sich in dieses vom Zufall gelenkten Ausstellungsvorhaben auch noch ein Filmprojekt ein, von dem Elke Schieber gerade rechtzeitig hörte. Die Regisseurin Heike Mundzeck verfilmte das Buch des Amerikaners Bryan Mark Rig „Hitlers jüdische Soldaten“. Rig erfuhr als 20-jähriger Student, dass seine Familie deutsch-jüdischer Herkunft ist. Er machte sich 1992 auf den Weg nach Deutschland, und hörte dort, dass es in der Hitler-Armee Juden und jüdische Mischlinge gegeben hat. Heike Mundzeck wählte für ihren Film elf Zeitzeugen aus, darunter die Heidenheims. Ihr Film „Die Soldaten mit dem ,halben Stern““ erlebt zur Vernissage am Montag seine deutsche Erstaufführung. „Ich glaube, dass unser Projekt eine sehr runde Geschichte mit vielen Facetten ist. Wir zeichnen anhand konkreter Biografien nach, wie Menschen aus ihrer deutschnationalen Erziehung durch die NS-Zeit plötzlich in ihre jüdische Identität geworfen wurden“, so Elke Schieber.

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