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Kultur: Der Schmerzdichter

Doku (2): „William S. Burroughs: The Man Within“.

Ob das Leben von William S. Burroughs wirklich darauf hinausgelaufen ist? Zu erkennen, dass die Liebe das Nonplusultra ist? „Liebe? Was ist das? Das natürlichste Schmerzmittel überhaupt“, hat Burroughs kurz vor seinem Tod am 2. August 1997 als letzten Gedanken in sein Tagebuch geschrieben. Für seinen Ziehsohn und Nachlassverwalter James Grauerholz und für den Musiker Genesis P. Orridge ist das der Beweis dafür, dass Burroughs erkannt hatte, dass „die Liebe zur Gleichung des Lebens gehört.“

Tatsächlich erzählt der junge amerikanische Filmemacher Yony Leiser in seiner sehenswerten Burroughs-Dokumentation die Geschichte eines Künsterlebens, in der für demonstrative, gar bedingungslose Liebe nicht viel Platz war. Aus guten Gründen: 1951 erschießt Burroughs in Mexico City seine Frau Joan bei einem bizarren Wilhelm-Tell-Spiel auf einer Party – ein Unfall, für den er nicht ins Gefängnis muss, der ihn aber zu der Erkenntnis bringt, „dass ich ohne Joans Tod nie Schriftsteller geworden wäre.“ Der gemeinsame Sohn, um den Burroughs sich nur selten kümmert, lebt ein wildes, chaotisches Leben und stirbt 33-jährig an seiner Alkoholsucht. Und auch zu seinen männlichen Liebhabern pflegt Burroughs ein distanziertes Verhältnis – aus Angst vor Enttäuschungen. „Weil er körperlich und in Liebesdingen extrem linkisch war“, sagt der Literaturagent Ira Silverberg. „Weil er Gefühle schwer zeigen konnte“, sagt der junge Mark Ewert, der nach Allan Ginsberg auch Burroughs gezielt umgarnte und eroberte.

Private und künstlerische Beziehungen, die Beat Generation, Cut-Up, Naked Lunch, Shotgun-Art, Punkrock: Wie in einem Album blättert Leiser in diesem Leben, mit viel Archivmaterial und zahlreichen Interviews, die er mit Weggefährten, Filmemachern wie Gus van Sant und John Waters, Musikern und Schriftstellern geführt hat.

Dabei scheint der Regisseur Burroughs’ Persönlichkeit recht nahe zu kommen: einem extrem kontrollbesessenen Menschen und Künstler, der zugleich noch immer starke Emotionen auslöst. Denn Mark Ewert, James Grauerholz und Genesis P. Orridge sind den Tränen nah, als sie Burroughs’ letzte Lebensjahre und dessen Einstellung zur Liebe Revue passieren lassen. Vielleicht hat William S. Burroughs aber nur an seine Katzen gedacht, als er seinen letzten Tagebucheintrag über die Liebe als Schmerzmittel vornahm. „Der Gedanke“, sagt Mark Ewert, „was aus seinen Katzen werden würde, wenn er dereinst sterben sollte, machte ihn völlig fertig.“ Gerrit Bartels

Central, Lichtblick, Moviemento, Kino Zukunft am Ostkreuz (alle OmU)

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