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Das alte Potsdam. Der frühere Kastellan der Orangerie des Schlosses Sanssouci, Reiner Jens Uhlmann, sammelte bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr DDR-Grafiken, vor allem aus den 1960er- und 1970er-Jahren. In seiner Sammlung befindet sich auch Peter Rohns „Weinberg – Schloß Sanssouci“ aus dem Jahre 1972.

© Andreas Klaer

Kultur: Der Schatzmeister

Akte, Porträts und viel Potsdam: Die Grafiksammlung Reiner Jens Uhlmanns im Museumshaus „Im Güldenen Arm“

Sie sind besessen, diese Sammler. Eisern verfolgen sie ihr Ziel. Das Objekt der Begierde will erobert sein. Ihr Glück währt indes nur kurz und schreit immer wieder neu nach Futter. So erging es wohl auch Reiner Jens Uhlmann. Der einstige Kastellan der Orangerie von Sanssouci begnügte sich nicht mit dem täglichen Blick des „Hausmeisters“ auf die königlichen Schätze. Er füllte auch seine eigenen vier Wände mit Kunst: In seiner Orangerie-Wohnung stapelten sich Kunstpostkarten in Hülle und Fülle und auch Grafiken aus verschiedensten Zeiten und von unterschiedlichster Hand.

Ein Jahr nach seinem Tod bringen die Potsdamer Kunstexperten Saskia und Andreas Hüneke etwa ein Fünftel aus diesem privaten Grafikschatz an die Öffentlichkeit. Sie wählten vor allem Arbeiten vom Anfang des 20. Jahrhunderts sowie aus den 60er- und 70er-Jahren der DDR aus. Bis 29. Januar füllt im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ der Grafikliebhaber Uhlmann posthum die geduckten Fachwerkwände. Da gibt es romantische und heiter-pointierte Blätter mit Sanssouci-Motiven, zarte Akte und kantige Porträts, wenig Stadtlandschaft und expressive Farbgrafik, ja und auch politische Statements. Eines davon heißt „Situationsbericht“ und zeigt eine davonschwebende Wolke mit drei Giebelhäusern des Holländischen Viertels. Darunter fleht ein bärtiger Mann händeringend um Einhalt. Diese Grafik von 1976/77 erzählt von Abrissplänen des Holländischen Viertels. Da zu DDR-Zeiten die Rekonstruktion als zu kostspielig galt, hieß eine Devise: Platte statt Erhalt. Der mahnende Holzschnitt ist in der Ausstellung indes dem falschen Künstler zugeordnet worden. Wolfgang Liebert gilt zwar als malender Anwalt der historischen Bausubstanz Potsdams, aber wie er auf PNN-Nachfrage versicherte, stamme dieses Blatt, auch im Ausstellungsflyer abgebildet, nicht von ihm. Der Kunsthistoriker Andreas Hüneke schlussfolgerte aus der Widmung „Für Wolfgang“ Liebert als Urheber. Vielleicht stamme das Werk von Wolfgang Thiel, so Hüneke.

Uhlmann (1943 – 2015) setzte sich schon als junger Mann mit Kunst auseinander, malte auch selbst. Das gehörte zum Studium dazu. Seine Ausbildung absolvierte er am Kunsterziehungsinstitut Greifswald, von dem aus er geistige Brücken zur nahen Ostsee und dem Usedom-Kreis mit Künstlern wie Otto Niemeyer-Holstein und Gabriele Mucchi schlug. Von dem Italiener Mucci, der als Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee arbeitete und in den 1960ern an der Universität Greifswald lehrte, hängen zwei sehr stimmungs- und schwungvolle Arbeiten in der Ausstellung: ein Frauen-Porträt und eine Nackte „Bei der Toilette“.

Aus DDR-Zeit begegnen dem Besucher dieser leisen, intimen Ausstellung weitere große Namen, wie Werner Tübke, Harald Metzkes oder Fritz Cremer. Von Cremer ist die Grafik „Der Aufsteigende“ zu sehen, eine Vorarbeit zu seiner überlebensgroßen gleichnamigen Plastik. Und es gibt natürlich auch ein Wiedersehen mit Potsdamer Bekannten, wie Manfred Butzmann, Peter Rohn oder Christian Heinze. Ein paar Werke fallen künstlerisch heraus und zeigen die Offenheit des Sammlers für eine große Bandbreite. Dazu gehören die kugeligen Figuren von Hans Ticha, der als der einzige Pop-Künstler der DDR galt.

Jahrelang gab es im Turm der Orangerie Grafikausstellungen, organisiert vom Jugendklub Sanssouci. Für viele waren sie ein Muss, um gute Kunst preisgünstig zu erwerben. Grafiken galten als beliebtes, für jeden erschwingliches Geschenk. Uhlmann beschenkte sich selbst.

Seine Sammlung förderte eine ganz besondere expressive Kostbarkeit für die regionale Geschichte zu Tage: eine Grafikmappe der Gründungsmitglieder des Märkischen Künstlerbundes, über den ganz wenig bekannt ist. „Ich habe nur einen Artikel über diese Gruppe gefunden und der ist von 1906“, so Hüneke. Gegründet wurde dieser Bund von Schülern Eugen Brachts, der an der Berliner Akademie der Künste lehrte und mit den Traditionalisten gebrochen hatte. Er fand unter jungen Malern großen Zuspruch und machte sie auch auf den Reiz der märkischen Landschaft aufmerksam. Eine Handvoll Maler folgte dieser Empfehlung, darunter Brachs Meisterschüler Carl Kayser-Eichberg. Ihm schenkte der kleine Kreis 1902 zur Hochzeit diese Grafikmappe: mit Widmungsblatt in goldener Pinselschrift. Es liege nahe, dass es sich tatsächlich um das Geschenkexemplar für Eichberg handele, der später nach Potsdam zog und 1932 Vorsitzender des Potsdamer Künstlervereins wurde.„Ein der Kunst gewidmetes Leben fand in Sanssouci sein Ende“, stand im November 2015 in der Traueranzeige für Reiner Jens Uhlmann. In der Sammlung wirkt dieses Leben weiter. Uhlmanns Söhne überlegen, wie sie mit dem Nachlass des Vaters umgehen. Kontakte zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und zum Potsdam Museum sind geknüpft.

Die Ausstellung „Ein Grafikliebhaber Reiner Jens Uhlmann“ ist zu sehen bis zum 29. Januar 2017, immer Mittwoch bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei, Museumshaus „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Str. 3

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