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Das Rauschen des Universums: Ein „Klangspaziergang“ mit KAPmodern

Unterwegs in der Stadt. Der eine hört nur Lärm und nervende Geräusche.

Unterwegs in der Stadt. Der eine hört nur Lärm und nervende Geräusche. Anderen ist das Urbane ein Klangraum voller aufregender Klangquellen: kurvenquietschende Straßenbahnen, bedrohliches Autohupen und Fahrradgeklingel. Eben diesen Klangraum in seiner Vielfalt zu erkunden hatten sich die acht Musiker von KAPmodern, der Reihe der Kammerakademie Potsdam fürs Avantgardistische, bei ihrem „Klangspaziergang“ am Donnerstag im Foyer des Nikolaisaal vorgenommen.

Auch bei diesem zweiten Konzert stehen Beschaulichkeit und Hektik, Individuum und Wir-Gefühl im Fokus der Betrachtungen. Wie aber Klänge orten, wenn man ihre Quellen nicht sehen kann? Das hat Gerald Eckert in „Nen VII“ für zugespielte elektronische Klänge, Violoncello (Christoph Hampe) und Flöten (Bettina Lange) versucht. Das Stück tastet den urbanen Raum auf seine klangliche Beschaffenheit hin ab, verzahnt schließlich die akustischen Instrumente mit einem diffusen Geräuschpegel, der wie das Rauschen des Universums wirkt. Zurück im Irdischen, findet sich das stets im Dunkel sitzende Publikum danach im „Stau“ wieder, den Steffen Schleiermacher mit Hilfe von Violoncello, Klarinette (Theo Nabicht), Posaune (Naomi Yoshida) und Klavier (Podromos Symeonidis) beschreibt: Akkorde von unterschiedlicher Lautstärke und Dauer sowie verschiedene Tonhöhen, ruppige Akzente vom präparierten Klavier, schließlich der Ausbruch aus durchdringendem Unisono hin zur freien Fahrt in extrem hohen Lagen.

Darauf einen „Dujardin“ oder einen anderen jener Drinks, die uns Christian Wolff mit seiner wortlosen, aber geräuschwitzigen Cocktailparty-Offenbarung „für Gläser und Getränke“ (nebst vier Personen) serviert – vom Öffnen diverser Flaschen über das Einschenken bis hin zum Anstoßen und genussvollen Schlürfen. Der Beschreibung dieser alltäglichen Situation folgt Helmut Oehrings unmissverständliche, von Bassflöte und präpariertem Klavier artikulierte Aufforderung „Come not near“ (Komm nicht näher). Den Momentaufnahmen unterschiedlicher Zurückweisungen folgen schlangengleiche Zischgeräusche und Silbenfetzen, die schließlich in den Vortrag eines absurden Textes münden. Von ganz anderem, gesellschaftskritischerem Kaliber ist dagegen „Charts Music“, eine pointierte Collage des Konzeptkünstlers Johannes Kreidler, der per Diashow den desaströsen Verlauf von Aktienkursen anzeigt und sie mit banalen Melodien, gewonnen aus der Microsoft-Komponiersoftware „Songsmith“, illustriert. Es sind witzige, entlarvende Klänge, von Schlagzeug (Friedemann Werzlau), Kontrabass (Tobias Lampelzammer), Cello, Posaune, Klavier und Saxophon untermalt.

Aus dem Lachen heller Kinderstimmen, dem Klappern von Geschirr bei offenem Fenster und ähnlichen Geräuschen aus Hinterhöfen städtischer Altbauviertel könnte der mexikanische Komponist Arturo Fuentes sein „Space Factory III – From the children cycle“ gewonnen haben. Herrlich quäkende Oboe (Jan Böttcher), Klavier und Schlagzeug sorgen für den passenden Sound. Zum Schluss ertönt von der Galerie im Surround-Sound das introvertierte, atonal vielstimmige Gemurmel von Georg Friedrich Haas: „ aus freier Lust verbunden Einklang freier Wesen“. Peter Buske

Peter Buske

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