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Durfte nicht sein: Homosexuelle Liebe im 14. Jahrhundert.

© Philipp Plum/Neues Globe Theater

Das Neue Globe Theater inszeniert Brecht: Verbotene Liebe

Das Neue Globe Theater inszeniert in Potsdam Bertolt Brechts „Leben Eduards des Zweiten von England“. Ein Stück über homosexuelle Liebe, eine starke Frau und intrigante Politik. 

Von Sarah Kugler

Potsdam - Das goldene Höschen erregt Aufmerksamkeit. Vor allem, weil Schauspieler Laurenz Wiegand es schaulustig breitbeinig präsentiert und den Blick damit bereitwillig auf sein glitzernd verpacktes Geschlecht zieht. Das Plakat zu Bertolt Brechts „Leben Eduards des Zweiten von England“ in der Inszenierung des Potsdamer Neuen Globe Theaters ist ein Hingucker. Und fasst mit einem Augenzwinkern zusammen, worum es in dem Stück, das heute Abend Premiere im T-Werk feiert, geht: die Liebe zwischen zwei Männern, Macht, Dekadenz, Menschen, denen keine Privatsphäre zugebilligt wird.

Bertolt Brecht verfasste dieses Drama, das im 14. Jahrhundert angesiedelt ist und vom Leben Eduard II. von England erzählt, gemeinsam mit Lion Feuchtwanger. Es basiert auf einem Stück von Christopher Marlowe, das Brecht in seiner ersten Regiearbeit an den Münchener Kammerspielen inszenieren wollte. Allerdings fand er die damals existierende Übersetzung von Heymel ungenügend und schrieb das Stück mit Hilfe von Feuchtwanger 1924 selbst um. Für das neue Globe Theater ist es deshalb so interessant, weil Brecht damit nicht nur seine erste Regiearbeit bestritt, sondern auch das erste Mal sein episches Theater auf die Bühne brachte, wie Kai Frederic Schrickel, einer der Theaterleiter und Regisseur der Inszenierung sagt. „Außerdem ist es ursprünglich elisabethanisches Theater, und das ist ja unser Thema.“

Die Werbefotos zu „Leben Eduards des Zweiten von England“ kommen bewusst poppig modern daher.
Die Werbefotos zu „Leben Eduards des Zweiten von England“ kommen bewusst poppig modern daher.

© Philipp Plum/Neues Globe Theater

Wenn Liebe für Chaos sorgt

Im Jahr 2015 gemeinsam von Andreas Erfurth, Sebastian Bischoff und Kai Frederic Schrickel gegründet, hat es sich das Neue Globe Theater zur Aufgabe gemacht, Theater nahe am Publikum zu spielen. Mit ihrem eigenwilligen, augenzwinkernden Charme brechen sie oft mit der Illusion des Theaters. So bleibt etwa das Licht im Publikumsraum während der Vorführung eingeschaltet oder Kostümwechsel finden für alle sichtbar noch halb auf der Bühne statt. Ein Konzept, das sehr gut zu Brecht passt, wie Schrickel findet – außerdem habe ihn die Geschichte gereizt.

Erzählt wird – ganz wie der Titel sagt – das Leben Eduard II. von England, der von 1284 bis 1327 gelebt hat und dem eine Liebschaft mit dem Franzosen Piers Gaveston nachgesagt wird. Die Beziehung entwickelte sich bereits in Eduards jungen Jahren, sein Vater ließ Gaveston zwar verbannen, Eduard holte ihn allerdings wieder zurück, als sein Vater verstorben und er selbst König war. Brecht macht nun aus diesem ursprünglich adligen Geliebten des Königs den Sohn eines Schlachters, baut damit einen Standesunterschied ein und verschärft die sowieso schon aufgeladene Konfliktsituation am Hof. Denn wirklich beliebt ist Eduard nicht. Die Kirche verurteilt ihn wegen seiner Liebe zu Gaveston und der ehrgeizige Mortimer strebt nach der Regierungsmacht.

Kai Frederic Schrickel gründete zusammen mit Andreas Erfurth und Sebastian Bischoff 2015 das Neue Globe Theater. 
Kai Frederic Schrickel gründete zusammen mit Andreas Erfurth und Sebastian Bischoff 2015 das Neue Globe Theater. 

© Christoph Freytag

Eine starke moderne Frauenfigur

Er ist die zweite große Figur in diesem Stück, wie Schrickel sagt: „Im Prinzip funktionierte das damals wie heute, die Politiker beschließen etwa eine Abdankung im Hinterzimmer, der Regierende muss es ausbaden.“ Tatsächlich wurde Eduard II. entmachtet und schließlich hingerichtet. Im Stück instrumentalisiert Mortimer dafür Eduards Frau Anna, ebenfalls eine Hauptfigur und eine der ersten modernen starken Frauenrollen, wie Schrickel sagt. Während sie ihren Mann – mit dem sie auch Kinder hat – zunächst noch verteidigt, lässt sie sich später auf Mortimer ein.

„Es ist nicht ganz klar, ob sie sich hingibt oder geschickt erobert wird“, sagt Schrickel. Spannend sei ihre Entwicklung: Als eine auf Heirat getrimmte junge Frau, kämpft sie zunächst um die Liebe ihres Mannes, der sie allerdings immer wieder demütigt und ihr deutlich sagt, dass er sie nicht liebt. Irgendwann hat sie davon genug und sucht sich ihren eigenen Weg. „Sie ist keine Frau, die an ihrem Unglück zerbricht“, sagt Schrickel. Allerdings eine, die für ihre Emanzipation bestraft wird: ihr eigener Sohn wirft sie in den Tower.

Der Sohn Eduards wird zum Erzähler

Dieser Sohn, der spätere Eduard III., gilt mit 50 Jahren Regierungszeit als einer der einflussreichsten Könige des Spätmittelalters. In der Inszenierung des Neuen Globe Theaters übernimmt er die Erzählstimme, berichtet von den Vorkommnissen aus seiner Sicht. Er fungiere auch als Ansager der Brechtschen Zwischentexte, sodass der Zuschauer immer genau wisse, wo und wann das Bühnengeschehen gerade stattfinde, so Schrickel.

Das bleibt im 14. Jahrhundert verortet, auch wenn Bühne und Requisite eher zeitlos gestaltet sind. Gespielt wird in Kleidung der Gegenwart. „Die Darsteller haben Kleidung an, in der sich der Zuschauer wiedererkennen kann“, erklärt der Regisseur. Den Mittelpunkt der Bühne wird ein rechteckiger Holzkasten bilden, der je nach Szene zu einem Bett, einem Grab oder auch einer Kloake umgewandelt wird. Drum herum sind Mikrofone drapiert, mit denen die Darsteller etwa Pferdegeräusche imitieren. „Das ist dann schon bisschen Monty Python, aber es braucht auch ein paar alberne Momente zur Auflockerung in diesem Drama“, sagt Schrickel, der Brechts Drama zum allerersten Mal überhaupt nach Brandenburg bringt.

Ein schwieriges Herzensprojekt

Für ihn ist das Stück ein Herzensprojekt, das er mit Kollege Andreas Erfurth quasi im Alleingang auf die Beine gestellt hat. Zwar unterstützt die Stadt Potsdam die Produktion mit 8 000 Euro, die Gesamtkosten beliefen sich aber laut Schrickel mindestens auf 25 000 Euro. Vom Land erhielt das freie Theater dieses Jahr wiederholt keine Förderung. Überhaupt sei es schwierig gewesen, das Stück zu verkaufen – wegen des homosexuellen Themas lehnten viele Städte ab. „Tatsächlich wurden auch unsere Plakate kontrovers diskutiert“, erzählt Schrickel. „So viel zur angeblichen Toleranz des 21. Jahrhunderts.“

>>Heute um 20 Uhr im T-Werk, Schiffbauergasse. Weitere Vorstellungen am 14. und 15. Juni im T-Werk sowohl am 3. und 4. August auf dem Schirrhof

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