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Kultur: Das ist zutiefst romantisch

Zum großen Dirigenten wird man wohl doch auf die eine, denkbar simple Art und Weise: Indem man probiert, mit den Musikern und an den Werken, aber zuallererst an sich selber arbeitet - und nicht, wie Hans Richter, der erste richtige Dirigent der Musikgeschichte, einst behauptete, indem man es auf Anhieb könne oder eben nicht.Christian Thielemann hat in den letzten Jahren an sich gearbeitet, so sehr wie kaum ein anderer Dirigent.

Zum großen Dirigenten wird man wohl doch auf die eine, denkbar simple Art und Weise: Indem man probiert, mit den Musikern und an den Werken, aber zuallererst an sich selber arbeitet - und nicht, wie Hans Richter, der erste richtige Dirigent der Musikgeschichte, einst behauptete, indem man es auf Anhieb könne oder eben nicht.

Christian Thielemann hat in den letzten Jahren an sich gearbeitet, so sehr wie kaum ein anderer Dirigent. Diese Entwicklung wurde bei seinem jüngsten Konzert mit dem Orchester der Deutschen Oper auf frappierende Weise deutlich. Was ihm bei den von ihm so geliebten Wagner-Opern schon länger gelingt, erreicht er jetzt auch auf dem Gebiet der Sinfonie: den organischen Fluss der Musik, das selbstverständliche Einordnen des orchestralen Details in die großräumige Disposition. Bruckners Achte, die große c-moll-Sinfonie hatte er sich für sein einziges Abonnementskonzert im Konzerthaus ausgesucht, in der zweiten, geglätteten Fassung von 1890. Und auch das ist konsequent, denn auf Brüche, aufs Spannungsverhältnis zwischen Auseinanderdriften und Anziehungsenergien kommt es ihm gar nicht an. Thielemanns Bruckner-Verständnis ist affirmativ: Konsequent entwickelt er die Achte im Sinn einer Sinfonie funebre et triomphale, bei der auf die forsche Dramatik der beiden Anfangssätze und die meditative, tristaneske Versenkung des Adagio religioso ein krönend fanfarengesättigtes Finale folgt.

Das ist zutiefst romantisch, als Gegenpol zu Bruckner-Tüftlern wie Kent Nagano oder Ingo Metzmacher konservativ im besten Sinne, vor allem ist es hinreißend gespielt. Denn gelernt hat der Chefdirigent der Deutschen Oper im Vergleich zu seinen früheren, mitunter durch aufgezwungene Gewichtigkeit gelähmten Bruckner-Interpretationen auch das: ein werkspezifisches Klangbild zu entwickeln. Bei aller Gewichtigkeit im siegesgewiss strahlenden Blechbläsersatz ist seine Achte stets durchhörbar; die Abtönungen der Holzbläser bleiben präsent. Auch weil Thielemann sie nicht im Sinne falsch verstandener Klangdelikatesse abdämpft, sondern wie Orgel-Register hervortreten lässt. Und was den wunderbar körper- und seelenvollen Streicherklang angeht - den gibt es schöner kaum irgendwo zu hören. Nicht mal in Berlin.

Jörg Königsdorf

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