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Kultur: Das Geheimnis bleibt

Klaus Fußmann zeigt im Barberini „Menschen und Landschaften“ – und betritt seelische Minenfelder

Sicher wird er von Max Beckmann überstrahlt. Jedenfalls vom Namen. Die Werke von Klaus Fußmann können sich aber durchaus behaupten, weisen sogar Beckmann’sche Anklänge auf. Parallel zum „Welttheater“ Max Beckmanns lässt das Museum Barberini ab heute auch das „Nordlicht“ Fußmann strahlen: in der unteren Etage mit 39 großformatigen Gemälden. Er wird 80, dieser hünenhafte Mann mit dem dichten weißen Haar, der in Schleswig-Holstein lebt, aber jedes Jahr von November bis Ostern vor Nebel, Schlamm und Depression flieht: nach Berlin, in sein Winteratelier.

Es ist die erste Personalausstellung eines Malers im Barberini, die bis ins Heute reicht. Und die erste Ausstellung, die das für Fußmann so wichtige Thema „Menschen in der Landschaft“ beleuchtet. Gespeist wird die raumgreifende Schau unter anderem aus der hauseigenen Sammlung. Museumsstifter Hasso Plattner schätzt sie sehr, diese Werke, die Landschaften des Malers, die keinen romantisch verklärten Blick auf einsame Wanderer wie bei Caspar David Friedrich aufweisen. Vielmehr haben diese Bilder mit ihrer hintergründig aufwühlenden Irritation eher die Wucht eines Edward Munch. Wir schauen den Menschen direkt in ihre weit aufgerissenen Augen, auf ihre offenen Münder – und bekommen sie doch nicht zu fassen. Tiefe Himmel, durchfurchte Wolkenmeere, verwehte Bäume lassen die Landschaft atmen, manchmal mit schwerer Brust. Oft versperren die Menschen den weiten Blick auf sie.

Es knistert spannungsgeladen, wenn ein Kind mit ausgebreiteten Armen rücklings auf uns zufliegt. Über seinem Kopf zum Greifen nahe Flugzeuge wie beim Bombenangriff. Der Maler versorgt im empfehlenswerten Begleitkatalog den Betrachter mit Informationen über die jeweilige Ausgangssituation, die ihn zu seinen Bildern führt – auch zu diesem „Zeitsprung“, seinem 1983 gemalten angsteinflößenden Tiefflug: „Mit einem Knall, der einen fast umwarf, die Füße richtig wegzog, stand die Silhouette des Flugzeugs so tief wie möglich mit ganzer Breitseite des Daches, raste dann weiter zur Geltinger Bucht, zog eine weite Schleife über die Ostsee und flog, noch immer so rasend schnell, zurück zum Stützpunkt Leck.“ Fast täglich erlebten die Fußmanns diesen Schreck, der die Kinder zum Weinen brachte. Und der Klaus Fußmann an die eigene Kindheit erinnerte, an die Tiefflieger, die auf alles schossen, was sich bewegte. Doch diese Albtraumbilder aus den kalten Februartagen 1945 verarbeitete er erst 1999 in seinem düsteren Gemälde „Flugzeug“, mit goldgelben Inseln darin.

Die erste Bekanntschaft mit Klaus Fußmann konnten die Potsdamer bereits 2002 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HPBG) machen. Damals stellte Plattner erstmals seine Sammlung vor: beengt in einem kleinen Kabinett. Fußmann war damals der westdeutsche Solitär unter den ostdeutschen Malern wie Mattheuer und Heisig und brachte seine mit dicker pastoser Farbe aufgetragenen Sonnenblumen mit. „Ich fühlte mich zwischen den Ostkollegen sehr gut aufgehoben“, sagt der Künstler am Rande des Rundgangs durch die Barberini-Schau, in der nur zwei Bilder in pastoser Malweise zu sehen sind und sich so frei entfalten können.

Ortrud Westheider, die Museumschefin, zückt einen Karo-Buben aus der Tasche, der beim Aufhängen des Bildes aus dem Rahmen fiel. Ja, auch Skatkarten dienen ihm als „Pinsel“, erzählt Fußmann und zeigt die breiten Spuren auf seinem „B. im Garten“, das er 1994 zu malen begann und erst 2015 vollendete. Der Garten brauchte lange bis zum Blühen.Dass er damals im HPBG mit ausgestellt wurde, lag daran, dass Plattner ihn schon vor den DDR-Künstlern gesammelt habe, „seit nunmehr 35 Jahren“, sagt Fußmann. „Und Hasso Plattner kaufte über meine Galerie Peerlings auch Bilder für sein Unternehmen SAP. Wir haben ein sehr enges Verhältnis und diskutieren viel über Malerei.“ Plattner besuchte ihn auch in seinem Atelier in Gelting, interessierte sich für das Entstehen der Bilder vor Ort.

In Gelting male er fünf, sechs Stunden hintereinander im Stehen. Zum Ausgleich geht er spazieren oder gärtnern. „Aber beim Graben bin ich inzwischen schneller aus der Puste“. In Berlin, wo er eine Professur an der Hochschule der Künste innehatte, geht es lebhafter zu. „Oft kommen Freunde, hier bin ich enger verflochten. Aber hier verschlendere ich auch zu viel Zeit, die mir dann zur Arbeit fehlt.“

Man sieht im Barberini die geballte Kraft von 30 Jahren. Das Werk eines nachdenklichen Malers, der es versteht, seine Themen zu verdichten, die nicht mehr preisgeben, als Kunst sollte. Und ein Maler, der sich auch im Selbstbildnis zeigt. Wie an einem nordisch hellen Frühjahrstag im Jahr 1984. Ein mit Folie überspannter Rahmen lag auf dem Gartenbeet und die Gestalt des Malers spiegelte sich im Kobaltblau des Himmels. „Eigentlich steht ein Spiegel aufrecht“, aber gerade diese „Verr-rückt-heit“ fing er ein: mit breitem Strich und lichten Farben. Den Pinsel hält er wie einen Zeigefinger hoch in die Luft. „Damit überlebe ich!“, sagt er.

Obwohl Klaus Fußmann die Besucher anfüttert mit seinen kleinen Geschichten, was für einen Maler eher ungewöhnlich ist, bleiben ihnen ihre Geheimnisse. „Das Rätsel fasziniert uns, nicht die Lösung“, sagt der Künstler. Und so schauen wir auf seinen Ikarus, sein Einhorn und das Opferfeuer: auf die Gefallenen und Suchenden, auf Menschen, die monumental und fragil zugleich wirken, auf seine Familie und Freunde, die ihm in der Landschaft Modell stehen und sich plötzlich auf der Leinwand in spannungsgeladenen Situationen wieder finden. In einer anderen Dimension.

Zu sehen bis 3. Juni im Museum Barberini, Am Alten Markt. Das Künstlerbuch zur Ausstellung kostet 20 Euro

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