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Wer ist Mann, wer ist Frau? In „Wie es euch gefällt“ lässt Regisseur Andreas Erfurth die Schauspieler von Shakespeare und Partner herrlich frei mit den Geschlechterklischees spielen.

© Shakespeare und Partner

Kultur: Das Dilemma Liebe

Shakespeare und Partner begeistern mit „Wie es euch gefällt“ bei den Schirrhofnächten

Liebevoll ist für alles gesorgt, was ein gelungener Sommertheaterabend braucht. Es gab am Mittwochabend bunte Decken, eine warme Suppe und kalte Getränke für die Zuschauer. Und vor Beginn des ersten von insgesamt fünf Abenden mit der Theatercompanie Shakespeare und Partner sogar ein poetisch-melancholisches Konzert des Berliner Klezmer-Trios Tsching im Schirrhofareal der Schiffbauergasse. Doch bevor dann die Schauspieler mit dem angekündigten Shakespeare-Stück „Wie es euch gefällt“ beginnen, begrüßen sie erst einmal eigenhändig das Publikum, indem sie ihm die neuesten Programmhefte wie warme Semmeln anpreisen und verkaufen. Dann ging es los mit Shakespeares entspanntester Komödie, die mit Bruderzwist am Herzogshof beginnt und in der Inszenierung von Andreas Erfurth mit drei Hochzeiten im Wald endet.

Und dazwischen: Was für ein Verwirrspiel! Kenner wissen es – bei Shakespeare und Partner werden alle Rollen von Männern gespielt; eine Reminiszenz an den großen Briten, der in diesem Jahr seinen 450. Geburtstag feiert, und an die Schauspieltradition des Elisbethanischen Theaters. Doch Andreas Erfurth, der zum ersten Mal bei Shakespeare und Partner Regie führt, setzt in seinem Spiel mit Gefühlen und Geschlechteridentitäten dem Ganzen noch eins drauf und besetzt die Männerrollen mit weiblichen Darstellerinnen.

So werden sämtliche Herzöge, Narren, Söhne und Schäfer von Regina Gisbertz, Rike Joeinig und Jillian Anthony verkörpert. Und die liebreizenden Herzogstöchter, verliebten Bauernmägde und Schäferinnen von drei Männern des wie immer sehr spielfreudigen Ensembles. Obendrauf gibt es Jacky (Dierk Prawdzik), einen melancholischen Gentleman mit echter blonder Lockenpracht, Plateauschuhen und Frauenkleidern, der einem Film von Pedro Almodovar entsprungen sein könnte. Doch dem noch nicht genug: Rosalind, Tochter des Herzogs Ferdinand, wird von Saro Emirze gespielt, der sich anfangs mit behaarter Brust, roter Perücke und in langen seidenen Frauenkleidern gibt, dann als Rosalind vom Hof verstoßen wird und in MC Ganymed, einen sensiblen Jüngling in Bermudashorts und blauer Kapuzenjacke, verwandelt. Und – das ist der Höhepunkt des Geschlechteridentitäten-Verwirrspiels –, der dann nahtlos hin- und herspringt zwischen seinen verschiedenen Identitäten, als er den jungen Orlando (Jillian Anthony) in seiner Liebe zu Rosalind auf die Probe stellt.

Wunderbar, wie es gelingt, in diesen Momenten die gesellschaftlichen Kategorien von männlich und weiblich aufzulösen und so nur noch Menschen sich lieben zu lassen. Die Macht der Liebe ist auch das Entscheidende in diesem Shakespeare-Stück, in dem die Bösen nicht überwältigt, sondern in der Gegenwelt Wald geläutert werden. Der hier lediglich durch ein paar weiße Luftballons (Ausstattung: Ulrike Eisenreich) und ansonsten ziemlich schräge Bewohner wie den Herzog Ferdinand mit John-Lennon-Brille und -Frisur, den Hofnarren Grapschtein oder eben besagten Jacky atmosphärisch gelebt wird. Welcher in dieser sehr musikalischen Aufführung (Keyboard: Bettina Koch, Schlagzeug: Tony Nissel) dann sowohl Cyndi Laupers „Girls just want to have fun“ als auch „In einem kühlen Grunde“ zum Besten gibt und nicht nur einmal Szenenapplaus dafür bekommt.

Das alles kommt kurzweilig und komisch in zweieinhalb Stunden daher, auch wenn der Anfang am Herzogshof, der zum Glück kürzer ist als bei Shakespeare, doch ein wenig braucht. Und sich das wirklich fesselnde Verwirrspiel erst so richtig im Wald und zwischen den verliebten Paaren – saukomisch zwischen der Schäferin Phoebe (Sebastian Bischoff) und dem Schäfer Silvius (Rike Joeinig) – entfaltet. Doch auch das Cousinenpaar Rosalind und Celia (Kai Frederic Schrickel) hat seinen Anteil daran. Hier vor allem aber Schrickel, der über die gesamte Länge eine gekonnte Parodie auf ein Klischee von Weiblichkeit abliefert. Das gelingt den Darstellerinnen mit der Männlichkeit leider nicht in gleicher Intensität.

Der berührendste Moment der Inszenierung findet ganz am Ende statt. Drei glückliche Paare verbeugen sich zum Schlussapplaus, und der Darsteller der Rosalind, jetzt wieder im Kleid, aber ohne Perücke, steht neben Orlando, der ohne Hut deutlich als Frau erkennbar wird. Die Inszenierung von Andreas Erfurth hat so den großen und entscheidenden Vorteil, dass sie mit Leichtigkeit und Situationskomik ein Thema abhandelt, das in der Gesellschaft noch lange nicht vom Tisch ist und nicht nur zwischen Feministinnen und sogenannten Maskulisten eher mit Angst und K(r)ampf ausgefochten wird. Und so lässt sich mit heutigem Blick auf den Geschlechterdiskurs nach dieser gelungenen Inszenierung fragen, was Shakespeare mit seinem berühmten Ausspruch „Alle Welt ist nichts als eine Bühne / Und alle Männer und Frauen bloße Spieler / Sie haben ihren Auftritt / ihren Abgang / Und spielen dabei mehr als eine Rolle“ vielleicht noch alles gemeint haben könnte.

„Wie es euch gefällt“ ist noch am heutigen Freitag, morgigen Samstag und am Sonntag, jeweils um 20 Uhr, im Schirrhof in der Schiffbauergasse zu sehen

Astrid Priebs-Tröger

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