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Die Schauspieler Veit Schubert (l.-r.), Max Gindorf, Constanze Becker, Oliver Kraushaar, Andreas Beck spielen bei einer szenischen Lesung auf der Bühne des Berliner Ensembles weitere Details zu einem Treffen von AfD-Politikern, Rechtsextremisten und Unternehmern.

© dpa/Carsten Koall

Correctiv am Berliner Ensemble: Neue Enthüllungen zum Potsdamer Rechten-Treffen

Szenische Lesung unter Polizeischutz: Die Enthüllungen von Correctiv zum „rechtsextremen Geheimplan gegen Deutschland“ gehen weiter.

Nicht viele Theaterabende finden unter Polizeischutz statt, und hoffentlich bleibt das auch so. Im Berliner Ensemble steht allerdings eine Veranstaltung von besonderem Interesse und erhöhter Brisanz auf dem Programm, daher die Mannschaftswagen vor der Tür. „CORRECTIV enthüllt: Rechtsextremer Geheimplan gegen Deutschland“ heißt die szenische Lesung, die hier Premiere feiert. Sie fußt auf den Recherchen des investigativen Journalisten-Netzwerks Correctiv zu dem bereits berüchtigten Treffen knallrechter Trommler für „Remigration“ im Landhaus Adlon nahe Potsdam, die zuletzt die Schlagzeilen dominiert und Tausende Demonstrierender mobilisiert haben. Selbst in Wirtschaftskreisen, so liest man, breitet sich allmählich Unruhe aus – der Imageschaden für das Land könnte gewaltig sein.

Auf der Bühne des BE wird die Recherche zur Zusammenkunft von AfDlern, Identitären, reichen Unternehmern, Werteunionern und CDU-Leuten jetzt in der Regie von Kay Voges ins Bild gesetzt, performt von den Ensemblemitgliedern Andreas Beck, Constanze Becker, Max Gindorff, Oliver Kraushaar, Veit Schubert und Laura Talenti. Das Interesse ist gewaltig, kurzfristig beteiligen sich über 40 Theater, Opernhäuser, Festivals und Kultureinrichtungen in ganz Deutschland am Livestream der Veranstaltung. Was sicher auch daran liegt, dass Correctiv für diesen Abend in Koproduktion mit dem Volkstheater Wien und dem Berliner Ensemble neue Enthüllungen angekündigt hat.

Wie viel Realität verträgt die Kunst?

Los geht es mit einer Rekapitulation und einem Reenactment des vom Geheimtreffen bereits Bekannten – verbunden mit der Frage, wie viel Realität die Kunst verträgt. Schließlich bestreiten die meisten der in Potsdam Versammelten, einem „Masterplan“ des Rechtsextremen Martin Sellner applaudiert zu haben, der unter anderem vorsehen soll, „nicht assimilierte“ deutsche Staatsbürger aus dem Land zu jagen oder zu deportieren. Entsprechend klagefreudig könnten sie sein – weswegen also stets von der „Bühnenfigur“ die Rede ist.

Es treten unter anderem auf: die „Bühnenfigur Gernot Mörig“, Zahnarzt im Ruhestand und Organisator des Treffens, die „Bühnenfigur Gerrit Huy“, Bundestagsabgeordnete der AfD, und so fort. Nicht alle sind so freimütig wie der AfD-Mann René Springer, der sich mit den Worten zitieren ließ, die sogenannte Remigration sei „kein Geheimplan, sondern ein Versprechen“.

Pseudo-Patriotismus und völkisches Weltbild

Der Correctiv-Abend im BE breitet noch einmal das irre völkische Weltbild der Pseudo-Patrioten aus. Man erfährt auch, wo die investigativen Journalisten ihre Posten bezogen hatten (unter anderem auf einem angemieteten Sauna-Schiff). Und ja, man erfährt tatsächlich auch Neues. Dabei geht es um Mario Müller, Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt sowie mehrfach wegen Körperverletzung verurteilter Rechtsextremer.

Der soll sich nach Correctiv-Erkenntnissen im Landhaus Adlon mit seinem erfolgreichen Kampf gegen die Antifa gebrüstet und behauptet haben, der Betreiber des reichweitenstarken Kanals „Dokumentation Linksextremismus“ auf der Plattform X zu sein (was er bestreitet). Ein Kanal, der immer wieder Menschen mit Namen, Fotos und Tatvorwürfen an den Pranger stellt. Die Correctiv-Recherche wirft unter anderem die Frage auf, inwieweit Müller seinen Job im Bundestag womöglich nutzt, um an entsprechende Informationen zu gelangen.

Hier könnten weitere Ermittlungen spannend sein. Die sind dann zwar nicht Aufgabe der Kunst, aber die tritt an diesem Abend ohnehin hinter die politische Relevanz zurück. Dennoch: Diese szenische Lesung ist im Theater am richtigen Platz. Schließlich, und daran erinnern auch die Polizeiwagen vor der Tür, sind die Theater Orte, an denen eine demokratische Zivilgesellschaft ihre Anliegen frei verhandeln können sollte. Nicht zuletzt die Bedrohung der Demokratie, mit der wir gegenwärtig konfrontiert sind.

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