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„Die Komödie von Casanova“, das erste Stück des Teatro dell’Arte Potsdam, hatte auf der Freundschaftsinsel Premiere.

© Sebastian Gabsch PNN

Commedia dell'Arte aus Potsdam: Sie sind Weltuntergang

Virtuoses Spiel, große Gefühle, historische Kostüme: Das neu gegründete Teatro dell’Arte Potsdam feierte seinen Einstand mit „Die Komödie von Casanova“ auf der Inselbühne. 

Potsdam - Wer in diesen Wochen von Italien-Sehnsucht geplagt wird, muss in Potsdam nicht darben. Kann sich an architektonischen Reminiszenzen laben, im Kino auf den Spuren Pasolinis an Italiens Strände reisen. Oder sich auf variosen Bühnen italienisch versorgen lassen: Bald wieder Goldoni auf der Seebühne des Hans Otto Theaters erleben, Goldoni à la Poetenpack im Heckentheater am Neuen Palais – oder, das ist neu, beim Teatro dell’Arte Potsdam gucken, wo Goldoni selbst gelernt hat. 

Das Teatro dell’Arte Potsdam, kurz TAP, ist eine Neugründung des letzten Jahres – ein Tourneetheater mit Heimathafen Potsdam. Die Truppe hat sich der historisch informierten Aufführungspraxisverschrieben: Commedia dell’Arte so nah am Original wie nur möglich. Und auf Deutsch natürlich, zumindest größtenteils. Auf der Freiluftbühne der Freundschaftsinsel zeigte sich das TAP am Samstag erstmals der Öffentlichkeit.

Keine individuellen Charaktere, sondern Typen

Die Commedia dell’Arte ist eine rohe Urform des Schauspielertheaters, entstanden im 16. Jahrhundert durch Gruppen, die über Jahrmärkte und durch die Höfe zogen. Nicht Text oder Autor standen im Mittelpunkt, sondern: das Ensemble. Das Spiel. Keine individuellen Charaktere, sondern Typen. Arlecchino, Colombina, Pantalone und Dottore. 

Sie alle kommen auch in „Die Komödie von Casanova“ zum Auftritt, in historischen Kostümen und ledernen Masken. Regie führt G.A. Scarello, der selbst als Arlecchino durch die Welt tourte. Das Stück ist genregerecht aus Improvisationen entstanden. Casanova, der Titelheld (Matteo Forni) steht nur scheinbar im Mittelpunkt, eigentlich geht es darum zu zeigen, was die Darsteller:innen auf dem Kasten haben. Der Plot (Casanova reist an, verführt, reist wieder ab) ist nur das Kleidchen, das die Acts der einzelnen Schauspieler:innen irgendwie zusammenhalten soll. Dass das Kleid ziemlich durchscheinend ist: Wen stört’s? 

„Wir sind Weltuntergang!“

Jasmin Hassane ist Colombina. Sie begrüßt das Publikum, lädt es ein ins Haus des reichen Pantalone, wo sie in Diensten steht. Erklärt die Wesensart der Venezianer („Wir sind Weltuntergang!“), führt eine imaginäre Touristengruppe durch die Gemächer, treppauf, treppab, in geschmeidiger Pantomine. Kocht Suppe, auch für den Liebsten Arlecchino. Den spielt Freya Treutmann, so wunderbar beineschlenkernd, so federleicht, dass man fürchtet, die Gliedmaßen könnten davonfliegen. Diese bekannteste aller Figuren ist das rührende, schwerelose Herz dieses Abends: Es schlägt für den Augenblick auf der Bühne. Nicht aber für die Gegenwart. Die sucht man weitgehend umsonst hier. 

Stattdessen viel virtuoses Spiel. Treutmann ist in einer zweiten Rolle als Pantalones Frau zu sehen, fächelnd hält sie sich den Lustmolch vom Leib. Pantalone, der Knauser, wird ebenfalls von Matteo Forni gegeben: eine altersschwache, kratzbürstige Variante des Casanova. Mit hängender Zunge und langen Fingern auf der Jagd nach Frischfleisch. 

Was alle wollen

Sex, Suppe, Geld: Das wollen sie hier alle. Wenn es nicht klappt, mögen sie darüber kurz ins Tragödienfach wechseln – wie der wunderbar leichtfüßige, sehr dickbäuchige Dottore (Nicolò Rossi) angesichts der Tatsache, dass seine Angebetete Fliegen frisst. Aber das dauert nur Sekunden. Das Spiel geht weiter, das nächste Lied, der nächste Act, sie warten schon.

Wieder am 10. August um 20 Uhr in den Neuen Kammerspielen Kleinmachnow 

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