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Eine Szene aus „American Born Chinese“.

© Cross Cult

Comic „American Born Chinese“ : Balance-Akt zwischen zwei Welten

Gene Luen Yang („Avatar: Der Herr der Elemente“) hat seine Jugend als Kind asiatischer Einwanderer in den USA im Comic „American Born Chinese“ verarbeitet. Zum Filmstart erscheint der auf Deutsch.

Als Kind war er Gene Luen Yang ein Fan von Superhelden-Geschichten. Die zogen ihn an, auch weil ihm ein Kernelement des Alltags von Superman und Co. aus seinem eigenen Leben vertraut war. „In Superhelden-Geschichten geht es darum, zwei Identitäten in Balance zu halten“, hat der Autor mal in einem Interview gesagt. „Der Held hat zwei unterschiedliche Leben, die in Einklang gebracht werden müssen.“

Das beschreibe ziemlich genau seine Jugend als Sohn chinesisch-taiwanesischer Einwanderer in den USA der 70er und 80er Jahre. „Die meisten von uns sprechen zwei unterschiedliche Sprachen, haben zwei unterschiedliche Namen und zwei unterschiedliche Sets von Kleidung im Schrank – je nachdem, ob man zu Hause ist oder in der Schule.“

Komplexe Identitäten: Eine Szene aus „American Born Chinese“.

© Cross Cult

Vor 17 Jahren hat Gene Luen Yang, der international vor allem als Haupt-Autor der vom gleichnamigen Animationsfilm inspirierten Bestseller-Comicreihe „Avatar: Der Herr der Elemente“ bekannt wurde, seine Erfahrungen in dem autofiktionalen Comic „American Born Chinese“ verarbeitet, der in den USA ein großer Erfolg war, bislang aber nicht auf Deutsch vorlag.

Nun erscheint der Band aus Anlass der Verfilmung der Geschichte im Cross-Cult-Verlag, seit vergangener Woche ist die achtteilige Realfilm-Adaption auf Disney+ zu sehen.

Klischee-Attacke: Eine weitere Szene aus „American Born Chinese“ mit der Figur Chin-Kee.

© Cross Cult

Der Comic hat eine cartoonig-bunte Anmutung, die auf den ersten Blick wie ein leichter Humor-Strip daherkommt – aber die darin erzählte Geschichte handelt von Ausgrenzung, Rassismus und Ignoranz. Yang zeigt sich hier nicht nur als versierter Erzähler, sondern auch enorm talentierte Zeichner und Meister des pointierten Timings.

Ein Gott, ein König – und doch immer ein Affe

Er kombiniert offensichtlich autobiografische Passagen aus dem Alltag des Jungen Jin Wang, wie der Autor Sohn chinesischer Einwanderer in den USA, mit überdrehten Märchen-Elementen um einen Affenkönig, der eigentlich ein Gott ist, aber von den anderen Göttern doch nur als Affe wahrgenommen und herabgewürdigt wird.

Als dritte zentrale Figur agiert Chin-Kee, Cousin der Hauptfigur und wandelndes anti-chinesisches Klischee. Er vereint mit seinen Hasenzähnen, dem Zopf, seiner gelben Haut und einer L/R-Schwäche zentrale Element der abwertenden Karikaturen chinesischer Einwanderer, die nicht nur in den USA eine lange Tradition haben und sich bis heute unter anderem in europäischen Comicserien wie „Lucky Luke“ wiederfinden.

Zwischen Jin Wang und Danny: Eine weitere Szene aus „American Born Chinese“.

© Cross Cult

Chin-Kee durchkreuzt bei seinen jährlichen Besuchen bei der Verwandtschaft in den USA mit grotesken Slapstick-Einlagen jeden Versuch seines allemal von Unsicherheit und Selbsthass geplagten Cousins, als normaler amerikanischer Teenager namens „Danny“ durchzugehen.

Rassistische Stereotype

Die Lektüre dieser regelmäßig in Farcen ausartenden Szenen ist vor allem deswegen schmerzhaft, weil sie bis heute bestehende rassistische Stereotype reproduzieren, um sie zu entlarven. Das ging in den USA vielen Leserinnen und Lesern zu weit. Doch Autor Yang entgegnete seinen Kritikern, dass er in der Rückschau fand, er hätte die Szenen mit Chin-Kee sogar noch stärker überziehen sollen, um die Absurdität des darin ausgedrückten Rassismus noch klarer deutlich zu machen.

Gene Luen Yang: „American Born Chinese - Im Schmelztiegel Amerikas“, Übersetzung Matthias Wieland, Cross Cult, 244 Seiten 35 Euro.

© Cross Cult

In den USA ist der 49-Jährige, der lange als Informatiklehrer und Schreib-Dozent gearbeitet hat, ein Star. Er wurde mit zahlreichen Comic- und Jugendbuchpreisen geehrt und 2016 von der Library of Congress zum „Botschafter für Jugendliteratur“ ernannt.

Yang hat regelmäßig für die Großverlage Marvel und DC gearbeitet – er schrieb unter anderem eine vielgelobte Superman-Geschichte, in der der Held asiatische Einwanderer gegen den Ku-Klux-Klan verteidigt.

Und er hat vielbeachtete Graphic Novels zu historischen und aktuellen Themen geschrieben und gezeichnet, darunter eine Comic-Erzählung über den Alltag an der High School, an der er als Lehrer arbeitete, und die Bedeutung des Basketballs für die amerikanische Identität.

Die Adaption von „American Born Chinese“ dürfte den Autor nun auch in Deutschland einem größeren Publikum bekannt machen. Das Ensemble, das Gene Luen Yangs Figuren in dieser charmanten Actionkomödie verkörpert, dürfte einen Teil dazu beitragen: Die Hauptrollen spielen unter anderem Michelle Yeoh und Ke Huy Quan, die jüngst für ihre Rollen im Erfolgsfilm „Everything Everywhere All at Once“ mit zwei Oscars ausgezeichnet wurden.

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