zum Hauptinhalt
Auf Krimi abonniert. Christine Anlauff lässt Just Verloren wieder ermitteln.

© A. Klaer

Christine Anlauffs neuer Roman vorgestellt: Politikfreiheit ist Illusion

So einen Andrang hatte es zu Wurstzeiten bestimmt nie gegeben: Bis auf den letzten Hocker war die Buchhandlung „Viktoriagarten“ in der Geschwister-Scholl-Straße besetzt, sogar auf dem Fußboden wurde gesessen. Sicher, sehr groß ist die ehemalige Fleischerei, die jetzt ein Literaturfundus ist, nun auch wieder nicht – aber Christine Anlauff hat eben eine gewaltige Fanbase.

So einen Andrang hatte es zu Wurstzeiten bestimmt nie gegeben: Bis auf den letzten Hocker war die Buchhandlung „Viktoriagarten“ in der Geschwister-Scholl-Straße besetzt, sogar auf dem Fußboden wurde gesessen. Sicher, sehr groß ist die ehemalige Fleischerei, die jetzt ein Literaturfundus ist, nun auch wieder nicht – aber Christine Anlauff hat eben eine gewaltige Fanbase. Das liegt zum einen daran, dass die Potsdamerin stadtbekannt ist, ein gesundes Geltungsbewusstsein hat und verdammt gut schreiben kann. Aber es liegt auch an ihrem Sujet: die Stadt selbst. Anlauff liefert mit ihren Kriminalromanen, die immer auch präzise Beschreibungen der Potsdamer Wirklichkeit sind, einfach hohes Identifikationspotenzial.

„Gestorben wird immer“, aus dem die Autorin am Donnerstagabend las, ist immerhin ihr fünfter Roman, und der zweite aus der Reihe um den unfreiwilligen Detektiv Just Verloren, den sie bereits in ihrem Buch „Der Fall Garnisonkirche“ zum Ermitteln schickte. Ein Comeback sozusagen: und natürlich ein unfreiwilliges. Denn der etwas schrullige Literaturkritiker, der den Stadtblog „Verloren in Potsdam“ betreibt, ist eigentlich nach Zoff mit seiner Freundin Anja auf dem Weg in die Redaktion eines Lokalsenders, als er mit dem Fahrrad stürzt – und im „Ernst von Bergmann“-Klinikum landet. Diagnose: Schulterbruch, dazu noch eine waschechte Amnesie, die zum Zeitpunkt des Unfalls einsetzt.

Während er in der Belvedere-Suite des Krankenhauses, also der Wellness-Abteilung für Privatversicherte, wieder langsam zu sich kommt, versucht er sich zu erinnern, was eigentlich passiert ist. Währenddessen geschehen in Potsdam und Umgebung seltsame Dinge, die er mit noch glasigem Blick in der Lokalzeitung liest: Eine Investorengattin wurde entführt und irgendwo hinter dem Karl-Liebknecht-Stadion wieder freigelassen, offenbar unter Drogen. Und dann verschwindet plötzlich Schwester Renate von der Belvedere-Station, mit der sich Just Verloren gerade angefreundet hat. Gemeinsam mit der quirligen Krankenschwester Lisa begibt Verloren sich auf die Suche – dann taucht eine Lösegeldforderung auf.

Im Gegensatz zum letzten Roman habe sie versucht, ohne Politik auszukommen – auch deshalb, weil die politischen Ereignisse schneller geschehen, als sie in einem Buch verarbeitet werden können. Aber diese Politikfreiheit ist nur Illusion: Denn allein schon das Bergmann-Klinikum wird in „Gestorben wird immer“ zum idealen Schauplatz zwielichtiger Machenschaften. Bis sich die Krankenschwester-Gewerkschaft „Die Bergfrauen“ gründet. Wie die Protagonisten zwischen den Stadtteilen Schlaatz, Am Stern und Innenstadt hin und her manövriert werden, mag für Nicht-Potsdamer befremdlich wirken, für den Einheimischen ist das natürlich eine Riesengaudi. Zumal Anlauff diesen Lokalkolorit mit den Personenbeschreibungen in so treffende Dialoge verpackt, dass das Kichern gar nicht mehr abebben will: „Das ist mehr ein Hörspiel, ist mir auch schon aufgefallen“, sagt sie. „Ich mag eben Dialoge.“ Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false