zum Hauptinhalt

„Bruchstücke – Brokstukken“ im Potsdam Museum: Armando: „Ich bin ein Sklave meiner Bilder“

Zwei Ausstellungen in Potsdam widmen sich dem Maler Armando. Der hat sich zeitlebens einem wuchtigen Thema gewidmet – und trotzdem seinen jugendlich-leichten Humor bewahrt.

Armando, das KunstHaus zeigt am Samstag Ihre neuen Arbeiten, das Potsdam Museum ältere. Warum diese Trennung, was unterscheidet die Arbeiten?

Keine Ahnung. Ich entwickle mich immer weiter. Ich bin ja noch jung. (lacht) Ich habe eigentlich keine neuen Ideen, kann keine neuen haben, weil ich ich bin. Es ist immer dieselbe Idee – in immer neuen Kleidern. Die aber muss ich weiter verfolgen. Leider. Ich wäre lieber faul.

Aber faul sein geht nicht?

Ich bin ja abhängig, mir muss ja inzwischen immer geholfen werden beim Malen. Aber nicht immer steht mir jemand zur Verfügung. Könnte ich noch alles alleine machen – dann würde ich, fürchte ich, wohl Tag und Nacht arbeiten.

Wenige Künstler scheinen sich zu trauen, Rot so intensiv zu nutzen wie Sie. Was bedeutet Ihnen dieses Rot?

Man fragt mich immer wieder, wofür das steht. Was ich dabei denke. Ich denke nichts! Klar, Rot steht für Aggressivität, für Blut. Aber zuerst ist es Rot. Erst dann kommen die Gedanken darüber. Es ist nicht so, dass ich aggressiv malen will und dann zum Rot greife. Erst mache ich meine Bilder. Das ist es, was ich tue. Dazu habe ich nicht viel mehr zu sagen.

Andere sehen in Ihrem Werk eine fortlaufende Auseinandersetzung mit dem Krieg, mit den Erfahrungen, die Sie als Kind gemacht haben. Sie haben in Ihrem Heimatort Amersfoort erlebt, wie die deutschen Besatzer erst ein polizeiliches Durchgangslager und später ein Konzentrationslager errichteten.

Ja, das ist meine Jugend, davon komme ich nicht los. Was soll ich anderes machen? Das bin ich. Das kommt immer zurück. Ich muss ehrlich sagen: Hätte ich das in meiner Jugend nicht erlebt, ich glaube nicht, dass ich dann hätte malen können. Ich habe den Beruf ja gewählt, um frei zu sein. Freiheit, das war für mich das Wichtigste. Aber wenn man diesen Schaffenszwang entwickelt – dann ist man überhaupt nicht frei! Und jetzt bin ich ein Sklave meiner Bilder.

Sie sind sich selbst in die Falle getappt?

Ein bisschen. Ich habe die Freiheit zum Gehorsam. Was mich von anderen unterscheidet ist, dass ich Produkte herstelle, nach denen niemand ein Bedürfnis hat. Nichts, was für die Gesellschaft interessant ist.

Glauben Sie tatsächlich, Kunst, die ja immer die Möglichkeit bedeutet, alles zu denken, hat keinen Wert für die Gesellschaft?

Jein. Ich kenne viele sympathische Leute, die kein Jota von Kunst verstehen. Die sind auch irgendwie glücklich. Ich kann mir das zwar nicht vorstellen. Aber das gibts. Und zugleich, das stimmt, ist Kunst heute populärer denn je. Schlangen vor dem Louvre gab es früher nicht. Da konnte man alles in Ruhe angucken.

Sie malen noch immer wahnsinnig schnell, wenige Stunden brauchen Sie für ihre riesigen Formate. Wonach wählen Sie am Morgen das Thema des Tages aus?

Ich mache ja unendlich viele Skizzen. Und ab und an drängt sich eben eine der Skizzen auf und will ein Bild werden. Und dann kann ich auch nicht aufhören. Das ist dann wie ein Krimi: Ich muss wissen, wie es wird, ich muss es zu Ende bringen.

Sie haben mal gesagt, Sie zerstören regelmäßig auch ältere Werke wieder. Warum?

Ja, wenn ich nach Holland muss, gehe ich manchmal in mein Lager und vernichte schon mal 30 bis 40 Bilder. Ich bin sehr selbstkritisch. Sie müssen eben sehr gut sein. Wonach genau ich das entscheide, kann ich gar nicht sagen. Aber wenn ich manche Bilder sehe, bin ich mir sicher: Das muss weg. Klar gibt es Leute, die mich davon abhalten wollen. Aber na und? Der Chef bin ich.

Es wäre schlimm, wenn ein schlechtes Bild weiter existieren würde?

Ja. Ich habe sogar mal ein schon verkauftes Bild zurückholen lassen.

Fühlen Sie sich geehrt, dass Potsdam Ihnen jetzt eine Doppelausstellung widmet?

Nein. Warum sollte ich schon geehrt werden? Ich bin 86 Jahre alt – und noch immer gierig. Es ist mir noch nicht genug.

Das Gespräch führte Ariane Lemme

Die Doppel-Ausstellung wird zweifach eröffnet: Am Samstag um 16 Uhr mit „Bruchstücke – Brokstukken“ im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, um 18 Uhr dann die „Aktuellen Arbeiten“ im KunstHaus, Ulanenweg 9.

ZUR PERSON: Armando, geboren 1929 in Amsterdam, veröffentlichte 1967 Interviews mit ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS, nahm an der „documenta“ 7 teil und lebt seit Jahren in Potsdam.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false