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Wie zu Shakespeares Zeiten: Alle Rollen, selbst die weiblichen, werden bei der Kompanie „Shakespeare und Partner“ von Männern besetzt. Ob sich das auch bei Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ bewährt?

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Kultur: Brecht auf Shakespeare-Art

Die Companie „Shakespeare und Partner“ gastiert mit „Der gute Mensch von Sezuan“ im T-Werk

Der Name der Schauspieltruppe ist Programm: „Shakespeare und Partner“. Bisher standen zwar fast ausschließlich die Werke des berühmten Briten auf ihrem Spielplan. Seit März ist ein anderer großer Name hinzugekommen. Doch es war gar nicht so einfach, sagt Ensemblemitglied Andreas Erfurth, die Schauspieler davon zu überzeugen, ausgerechnet Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ ins Repertoire zu nehmen. „Zu dröge, zu trocken“ waren nur einige der Vorurteile, die in der kontrovers geführten Spielplandiskussion zutage kamen.

Regisseur Markus Weckesser und Schauspieler Andreas Erfurth sahen jedoch neben Brechts universeller Fragestellung und der Botschaft von der Veränderbarkeit der Welt vor allem die große spielerische Herausforderung für die Kompanie, die stets, ganz wie zu Shakespeares Zeiten, alle Rollen mit männlichen Darstellern besetzt. Sie nahmen sich vor, „mit Spiellust reinzuhauen“ und Brecht auch ein wenig zu entheiligen, so Erfurth. Er erzählt, wie sie in einem ersten Arbeitsschritt Comedy-Varianten von einzelnen Szenen erarbeiteten, blanke Plastikbrüste für die Frauengestalten inklusive. Jetzt, sagt er, seien die aber unter den Kostümen verschwunden und die Szenen vor allem komödiantisch.

Dass ihre Spiellust Früchte trägt, konnten die Darsteller schon bei der Premiere am 8. März dieses Jahres im Stadttheater Minden erfahren, am morgigen Freitag und am Samstag wird die Inszenierung im Potsdamer T-Werk gezeigt, in dem „Shakespeare und Partner“ regelmäßig gastieren und im vergangenen Jahr mit ihrer Adaption von „Heinrich VIII.“ begeisterten.

Im Mittelpunkt des Stücks, das Brecht mitten im Zweiten Weltkrieg schrieb, steht die Prostituierte Shen Te. Sie würde gern ein guter Mensch sein, der sich nicht nur für die eigenen Wünsche, sondern auch für die Belange seiner Mitmenschen einsetzt. Shen Te versucht dies zu leben – und muss erfahren, dass sie durch ihr Verhalten die eigene Existenz aufs Spiel setzt.

Als sie ein Kind erwartet, rettet sie sich in die (Doppel-)Rolle ihres Vetters Shui Ta. Dieser greift hart durch, ordnet ihre Geschäfte und macht auf Kosten anderer Gewinn. Brechts Stück ist geprägt von der Frage, inwieweit der Mensch unter den herrschenden kapitalistischen Bedingungen, (mit-)menschlich bleiben kann. Gleich zu Beginn werden drei Götter nach Sezuan geschickt, um herauszufinden, ob dort gute Menschen existieren. Ob es im Stück tatsächlich einen guten Menschen gibt, bleibt jedoch eine Frage, die so offen ist wie der Schluss der Versuchsanordnung: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss“, schrieb Brecht im Epilog.

Eine neue Herausforderung für die fünf Darsteller, die während des Abends in fünfzehn verschiedene Frauen- und Männerrollen schlüpfen, ist der Umgang mit Live-Musik; fünfundvierzig Minuten des insgesamt zweieinhalbstündigen Abends werden allein von ihr gefüllt. Bettina Koch vom Berliner Grips-Theater hat die Musik von Paul Dessau, die ursprünglich für ein kleines Orchester komponiert war, für Keyboard und Percussion bearbeitet. Umgesetzt wird sie von Toni Nissl, der unter anderem bei Rio Reiser spielte.

Besonderes Markenzeichen der Inszenierung ist, dass es – anders als im Original – keine Masken gibt, sondern durchgängig natürliche Gesichter. Der auf der Bühne vollzogene Kostümwechsel und eine veränderte Haltung müssen genügen, um die verschiedenen Figuren darzustellen. Shen Te tritt beispielsweise im blauen Glitzerkleid auf, über das sie lediglich ein schwarzes Jackett zieht, um kurz darauf den Vetter Shui Ta zu geben. Als Bühnenbild genügen ein paar Pappkartons. Bühnenbildnerin Ulrike Eisenreich, die in Potsdam lebt und arbeitet, gab dieses Material gleich zu Beginn des Probenprozesses den Schauspielern zum Ausprobieren. Obwohl diese mehr als skeptisch waren, hätten sie sich schnell mit dem Material angefreundet, das sich so leicht variieren lässt und das sowohl für moderne Mobilität als auch für ärmliche Unbehaustheit stehen kann.

Letztlich, so Andreas Erfurth weiter, gebe es ja schon durch ihre bisherige Spielform, in der die Mittel des Theaters für alle offensichtlich eingesetzt werden, eine große Nähe zum Brechtschen Theater, das ebenfalls in den direkten Dialog mit dem Publikum tritt. Am Ende jeder Vorstellung wird dem Publikum gedankt und die nächste Aufführung angekündigt. „Zuletzt haben wir eingeführt“, sagt Erfurth, als Nächstes spielen wir Brecht, zu sagen – oft mit dem Ergebnis von Gestöhne im Saal. Wenn wir nachschieben, wir spielen das wie Shakespeare, ertönt befreites Lachen.“ Seit der Brecht-Premiere funktioniere das auch umgekehrt, fügt er noch hinzu. Astrid Priebs-Tröger

„Der gute Mensch von Sezuan“ ist am 4. und 5. April, jeweils um 20 Uhr, im T-Werk in der Schiffbauergasse zu sehen

Astrid Priebs-Tröger

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