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Das Hans-Otto-Theater Potsdam von Gottfried Böhm.

©  Manfred Thomas

Architekt Gottfried Böhm: Beton ist ein besonderer Stoff

Der Kölner Architekt Gottfried Böhm feiert seinen 100. Geburtstag. In Berlin hat er unter anderem ein Kaufhaus gebaut und in Potsdam ein Theater.

Das Alter bringt es mit sich, dass der Architekt Gottfried Böhm verschiedentlich Abrisse eigener Bauten hinnehmen musste, so in seiner Heimatstadt den eines 1972 errichteten Kindergartens. Architektur für den täglichen Gebrauch, noch dazu unter den Zwängen etwa des Sozialen Wohnungsbaus errichtet, hat es schwer, in ihren Qualitäten erkannt und geschätzt zu werden.

Gottfried Böhm, der am heutigen Donnerstag das biblische Alter von 100 Jahren erreicht, kennt beides – den Abriss wie die Erhebung zum Denkmal. Beides kreuzte sich in der Kapelle von St. Kolumba, genannt „Madonna in den Trümmern“, ein ergreifendes Bauwerk aus dem Jahr 1947, als die im Krieg vollständig zerstörte Kölner Innenstadt noch immer aussah wie eine Mondlandschaft.

Atemberaubender Beton-Brutalismus

Da gab es nichts „wiederaufzubauen“, da galt es, die wundersamerweise erhalten gebliebene Madonnenskulptur der zerstörten Kirche würdig einzuhausen. Jahrzehnte später, als ringsum alles neu gebaut war und die materiellen Möglichkeiten schier unbegrenzt, sollte das neue Diözesanmuseum den Platz der Kapelle besetzen, und nur der kongeniale Entwurf des Schweizers Peter Zumthor beließ dem kargen Kirchlein seine Existenz.

Damals, 1947, trat Gottfried Böhm in die Fußstapfen des Vaters Dominikus, einem der herausragenden Kirchenbaumeister der ersten Jahrhunderthälfte. Auch später hat Gottfried Böhm Kirchen gebaut, vor allem die Wallfahrtskirche in Neviges östlich von Köln – und auf halbem Weg zwischen beiden Orten das Rathaus in Bensberg. Beides sind Beispiele des Beton-Brutalismus um 1970, aber was für welche: gebaute Skulpturen, Neviges zudem im Inneren eine schützende Höhle analog dem expressionistischen Frühwerk eines Hans Poelzig. Der renommierte Bauhistoriker Wolfgang Pehnt nannte sie „die erstaunlichsten Architekturplastiken, die in der Bundesrepublik entstanden sind“.

Der Architekt Gottfried Böhm.
Der Architekt Gottfried Böhm.

© dpa

Allerdings hat sich Böhm nie auf einen Stil, auf eine Vorliebe festlegen lassen. Das Werk des 1986 – als bislang einziger deutscher Architekt – mit dem Pritzker-Preis ausgezeichneten Baumeisters ist überaus heterogen. Eine Zeit lang baute Böhm am liebsten in Stahl und Glas, so bei der Hauptverwaltung eines Konzerns auf der kargen Hochfläche bei Stuttgart oder ein wild geschachteltes Studiogebäude für den heimischen WDR. Auch das großformatige Textilkaufhaus an der Berliner Tauentzienstraße mit seiner wie ein Wasserfall herabstürzenden Glasfassade spricht für die Freude, die Böhm augenscheinlich an jeglichem Material und seiner Formbarkeit hat.

Das Dach des Hans-Otto-Theaters ähnelt einer Blüte

Am Beton führt da kein Weg vorbei. Nur mit diesem vielgescholtenen Baustoff waren die dünnen Dachschalen möglich, die das 2006 eröffnete Hans-Otto-Theater am Potsdamer Havelufer dreifach bedecken wie eine sacht sich öffnende Blüte, die ihr Inneres beschützt. Ein anderes Theater hingegen, dasjenige in Itzehoe und gut ein Jahrzehnt früher entstanden, sieht eher aus wie ein in feste Form überführtes Zirkuszelt, ist rundum verglast und licht. Auch das Diözesanmuseum unmittelbar neben dem Paderborner Dom hat etwas Temporäres an sich, nach außen gedeckt von Zinkblech, innen aber ein großer Raum, der Treppenhalle und Ausstellungsfläche zugleich ist.

Böhm hat sich stets das Zeichnen bewahrt

Für den Umbau des Reichstages hatte Böhm eine gewaltige, gläserne Kuppel ersonnen, lange bevor sich Norman Foster zu seinem Kuppelentwurf durchrang. Die Kuppel sollte den Plenarsaal aufnehmen, sollte die parlamentarische Demokratie sichtbar zelebrieren. Dazu kam es bekanntlich nicht, und auch andere, ähnlich ins Fantastische ausgreifende Entwürfe blieben auf dem Papier.

Denn etwas anderes hat Böhm sich bewahrt: das Zeichnen. Auch darin ist er den Expressionisten verwandt – oder es scheint nur so, haben doch tatsächlich alle Architekten aus der Generation seines Vaters gezeichnet. Aber natürlich sind die kraftvollen Striche mit der Zeichenkohle expressiv, sie wollen und sollen ja auch im Wortsinne etwas ausdrücken – und nicht, wie heutige Computerrenderings, bloß illustrieren. Den Pritzker-Preis erhielt Böhm, so die Jury, für sein „Handwerk, das von unseren Vorfahren Ererbtes mit neu Erworbenem verbindet“. Das Erbe bleibt auch in der Familie: So, wie Gottfried Böhm bei seinem Vater Dominkus lernte, gibt er selbst sein Wissen weiter an die Söhne Stephan, Peter und Paul, die alle schon als Ko-Autoren Böhm’scher Entwürfe tätig waren. Die Zeichenkohle legt er noch längst nicht aus der Hand.

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