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Sebastian Stan, Renate Reinsve und Adam Pearson in „A Different Man“

© Faces Off LLC

Berlinale-Film „A Different Man“: Einmal Haut abziehen

Eine Wunderheilung transformiert einen entstellten Mann zum klassischen Schönling. Wieso macht ihn das nicht glücklich?

„Alles Unglück kommt daher, dass man nicht akzeptieren will, was ist“, sagt der Nachbar im schrammeligen New Yorker Mietshaus, als sich Edward aus Wohnung 4F möglichst unauffällig an ihm vorbeidrückt. Steile These, für die der stille Mann mit seinem durch Wucherungen entstellten Gesicht, nicht unbedingt empfänglich ist. Sein Unglück über diesen Zustand bestimmt Edwards Leben, und das nicht nur, weil er sich regelmäßig Operationen unterziehen muss, wenn die Auswirkungen des wilden Gewebewuchses sein Seh- oder Hörvermögen zu sehr beeinträchtigen.

Die Krankheit ist auch schuld daran, – da ist sich Edward ganz sicher – dass er immer und überall angestarrt wird, dass er als Möchtegern-Schauspieler keine Rollen bekommt und, dass ihn die neue Mieterin von nebenan zwar ausfragen, aber nicht küssen möchte. Als der Leidensdruck schließlich übermächtig wird und ein Arzt mit einer experimentellen Therapie lockt, lässt er sich darauf ein.  

Situationskomik trifft Body-Horror

Wieviel hat das Selbstbild von einem Menschen damit zu tun, wie andere ihn betrachten? Diese Frage steht im Zentrum des Wettbewerbsbeitrags von Regisseur Aaron Schimberg, der selbst mit einer beidseitigen Gaumenspalte zur Welt kam. Er stellt sie mit der Pistole auf der Brust, versetzt seine Zuschauer mit Noir-Elementen in einen steten Unruhe-Zustand: Hier ist wenig, wie es scheint, geschweige denn vorhersehbar. Auf Body-Horror folgt Situationskomik, ständig knallt, tropft oder surrt etwas, irgendwann fällt ein verwestes Nagetier durch die Zimmerdecke.

Sebastian Stan, den die meisten wohl als Winter Soldier aus dem Marvel-Franchise kennen, spielt den (Anti-)Helden auch nach seiner Transformation zum sexy „Guy“ (wie er sich dann auch nennt), als nervös Getriebenen, der seine Mitverantwortung für die Reaktionen seiner Umwelt auf ihn nicht wahrhaben will. Wieso bleibt die Liebe aus, wenn ihr doch optisch nichts mehr im Wege steht? Hat der äußere Makel mit der Zeit einen inneren kreiert, dem mit keiner Wunderheilung mehr beizukommen ist?

A Different Man geht unter die Haut – und das nicht nur, wenn man zuschaut, wie sich Edward die seinige in schleimigen Streifen abzieht.

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