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Alexander Skarsgård bei der Premiere von „Infinity Pool“ im Kino International.

© action press/AEDT

Begegnung mit Alexander Skarsgård: „Eitelkeit ruiniert die Kreativität“

Schwede mit Abgründen. Schauspieler Alexander Skarsgård spielt in Berlin toter Mann und stellt seinen Bodyhorror-Film „Infinity Pool“ vor.

Von Andreas Busche

Wer mit Alexander Skarsgårds vage vertraut ist, dürfte nicht erstaunt darüber sein, dass der schwedische Schauspieler auf der diesjährigen Berlinale mit dem mit Abstand seltsamsten Film vertreten ist. Die Science-Fiction-Dystopie „Infinity Pool“ des kanadischen Regisseurs Brandon Cronenberg, der in den Specials lief, ist allerdings selbst gemessen an diesem ohnehin schon eklektischem Portfolio – er spielte unter anderem einen sexy Vampir in der Serie „True Blood“, einen charismatischer Endzeit-Sektenführer in „The East“ und einen Werwolf-Soldaten in „Wolfsnächte“ – ein echtes What-the-Fuck-Erlebnis. Skarsgård stimmt dem vorbehaltlos zu: „Eine Figur wie James, der immer wieder geklont wird und am Ende nackt gegen eine Version seiner selbst auf Leben und Tod kämpft, habe ich noch nie gespielt.“

 Alexander Skarsgård und Mia Goth in Brandon Cronenbergs „Infinity Pool“.

© Neon and Topic Studios

Die meisten Hollywood-Schauspieler schieben Filme wie „Infinity Pool“ zwischendurch ein, um mal aus dem Einerlei von Rollenangeboten in der US-Industrie auszubrechen. Alexander Skarsgårds Filmografie hingegen besteht aus vielen solcher eigenwilliger Liebhaberprojekte, die man sich nicht nur leisten können muss. Es kann auch nicht schaden, eine bestimmte künstlerische Sensibilität mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Mit einem Vater wie Stellan Skarsgård gehört das gewissermaßen zur Kindheitssozialisation. Im Alter von sieben Jahren stand Alexander zum ersten Mal vor der Kamera (er wurde quasi auf der Wohnzimmercouch von einem Freund seines Vaters gecastet, grinst Skarsgård), in Lars von Triers „Melancholia“ spielten Vater und Sohn 2011 erstmals zusammen.

Es hilft, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen

Alexander Skarsgårds Präsenz ist spürbar, schon bevor man die Hotelsuite betritt, in der der Schauspieler einen Berlinale-Interviewmarathon absolviert. Seine angenehme Stimme mit dem subtilen schwedischen Timbre, das sein Englisch in den Vokalen leicht abrundet, sodass er als Muttersprachler durchgehen könnte (er spielt oft Amerikaner), klingt durch den Flur, wenn sich kurz die Tür öffnet. Den Raum dominiert er trotz seiner 1,96 Meter nicht. Skarsgård empfängt dressed down in skandinavischem Hygge-Minimalismus (flaschengrüner Sweater, graue Jeans, helle Sneaker), der das unverschämt jugendliche Gesicht des 46-Jährigen noch betont.

Auch ich habe meine Unsicherheiten und will natürlich, dass mich alle unglaublich talentiert und attraktiv finden.

Alexander Skarsgård, Schauspieler

Auch in Berlin war Skarsgård, dem man in der Stadt gelegentlich noch auf Werbeplakaten als Model begegnet (man kann ihn neben einen 7er BMW stellen oder in einen Tom Ford-Anzug stecken, er wertet jedes Produkt auf), dieser Tage mit seinem koketten Charme omnipräsent. Bei der Premiere von „Infinity Pool“ spielte er am Dienstag auf dem roten Teppich toter Mann, auf der Party in der Nationalgalerie, bei der Klaus Biesenbach eine museumseigene Filmsammlung ankündigte, gab er anstelle des Gastgebers eine Kurator-Performance: „Guten Abend meine Damen und Herren, mein Name ist Klaus Biesenbach!“

Fällt es Alexander Skarsgård schwer, die Eitelkeiten eines Stars (in seiner Heimat wurde er fünf Mal zum sexiest Swede alive gekürt) und die gesunde Einstellung, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, in Einklang zu bringen? „Eitelkeit macht mir Angst, sie ruiniert jede Kreativität“, antwortet er schnell. Dann ringt er kurz mit den Worten. „Ich versuche, darüber nicht zu viel nachzudenken. Wenn du erst anfängst, dich ständig selbst zu beobachten, und dich bei jedem Schritt fragst, ob du cool und gut aussiehst, schränkt dich das ein. Ich behaupte nicht, dass ich kein selbstverliebter Motherfucker bin. Auch ich habe meine Zweifel und will natürlich, dass mich alle unglaublich talentiert und attraktiv finden. Aber ich lasse mich davon nicht aus der Fassung bringen.“ 

Blutige Wikinger-Epen und bizarrer Bodyhorror

Die Männlichkeitsbilder in Skarsgårds beiden jüngsten Filmen könnten unterschiedlicher kaum sein. Im Epos „The Northman“ spielt er einen nordischen Krieger auf einem Rachefeldzug; „Ich bin wochenlang halbnackt durch den Schlamm gerobbt. Es war unglaublich kräftezehrend, physisch und psychisch“, erinnert sich Skarsgård. Sein James aus „Infinity Pool“ ist dagegen ein Waschlappen: ein literarisches One-Hit-Wonder, das sich von seiner reichen Frau aushalten lässt und im Urlaub in einem südeuropäischen Luxusressort plötzlich ein morbides Freizeitverhalten entwickelt. Reiche Westler lassen an der einheimischen Bevölkerung die Sau raus, bestraft werden von dem korrupten Regime aber eigens dafür gezüchtete Klone, deren Hinrichtung die Originale dann beisitzen dürfen. Auch der Regisseur hat einen legendären Vater, den Bodyhorror-Maestro David Cronenberg.

„Die Dichotomie unserer Existenz“, sagt Skarsgård über seine Rolle, „in der Gesellschaft funktionieren zu müssen, immer höflich in der Schlange zu warten, während tief in uns drin etwas Atavistisches rumort, fasziniert mich.“ Auf die Frage nach der fragilen Männlichkeit, die James’ Wandel bedingt, antwortet Skarsgård, der sich auch schon mal als Feminist bezeichnet, ausweichend. „Wir alle haben doch eine genaue Vorstellung davon, wie wir von außen wahrgenommen werden. Ich selbst spüre oft eine unterschwellige Dissonanz: Man gibt vor, jemand anderes zu sein.“ 

Schauspielerei ist für ihn eine sichere Methode, die eigenen Abgründe zu erkunden. Dreharbeiten rauben Lebenszeit, ganz zu schweigen von den anschließenden Promo-Strapazen. Immer wieder von sich selbst überrascht zu werden, ist der Gegenwert dieser Arbeit. Skarsgård lehnt sich entspannt zurück. „Abends im Hotel anzukommen und zu denken, verdammt, die Szene heute war viel düsterer oder komischer als ich es mir ausgemalt habe, für dieses Gefühl liebe ich den Job.“

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