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Gregor Samsa (Oliver Masucci), der „beste Regisseur des Landes“, verzweifelt an der deutschen Filmbranche.

© Alpenrepublik/Nachtlicht Film

„Bad Director“ im Kino: Ein Film als fiese Abrechnung mit der deutschen Branche

Oskar Roehler hat seinen Roman „Selbstverfickung“ verfilmt – mit einer Hauptfigur, die an den Regisseur selbst erinnert. Es ist eine Tour de Force im Fegefeuer einer deutschen Filmproduktion.

Von Andreas Busche

Oskar Roehlers neuer Film „Bad Director“ beginnt auf der Verleihung des Deutschen Filmpreises, und von diesem Augenblick an geht es kontinuierlich bergab – nicht nur für die titelgebende Hauptfigur. Vor der Gala hat Gregor Samsa noch einen kurzen Abstecher in den Puff gemacht, aber mit dem Höhepunkt ist das so ein Problem, wenn gleich im Anschluss der ultimative Abtörn droht.

Auf dem Weg zur Verleihung faltet der Regisseur in einer Schaffenskrise – im Grunde ein larmoyantes Würstchen, das an Hyperhidrose und einem ausgeprägten Weltekel leidet – am Telefon noch die Kostümbildnerin zusammen, die um einen Ratschlag bei der Sockenfarbe für den Hauptdarsteller seines neuen Films bittet.

Sexarbeit und das Filmemachen sind in „Bad Director“ irgendwie das Gleiche, darum inszeniert Roehler den Filmpreis-Besuch mit ähnlicher Verachtung wie die schnelle Nummer zuvor. Alles Speichellecker und Prostituierte, unter dem Deckmäntelchen der Kunst – kommentiert er die Bussi-Gesellschaft im Beisein einer blonden Kellnerin, die er am Ende noch anbaggert.

Es ist ein hässlicher Rundumschlag gegen die Filmbranche und ihre Protagonisten, abwechselnd sexistisch und homophob. Die wahren Adressaten von Gregors Tiraden sind unschwer zu identifizieren. Der Titel seines Films ist – halb ironisch – aber auch nicht bloß buchstäblich zu verstehen.

Fegefeuer einer deutschen Filmproduktion

Als „Bad Boy“ des deutschen Films sieht sich Roehler selbst schon länger; die Rolle des „bösen Regisseurs“ übernimmt er da nur zu bereitwillig. Oliver Masucci spielt diesen Gregor Samsa mit langen, fettigen Haaren, Hornbrille und schlechten Zähnen als Wiedergänger des Regisseurs, der sich selbst wiederum in der Tradition eines Fassbinders wähnt.

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Seinen Fassbinder-Film nannte er vor einigen Jahren „Enfant Terrible“ – und in diesem Sinne befindet sich auch Roehler weiter im Krawallmodus. Man würde sich mit seiner Kritik am deutschen Film ja gerne gemeinmachen, hätte er nur ein Interesse an besseren Alternativen. Der Film, den Gregor gerade dreht, soll das jedenfalls nicht sein; und „Bad Director“ will es nicht sein.

Auf das Filmpreis-Präludium folgt eine fast zweistündige Tour de Force im Fegefeuer einer deutschen Filmproduktion. Seine Hauptdarstellerin Konstanze (Anne Ratte-Polle) hatte geschworen, nie mehr mit Samsa zu drehen; als sie einmal ihren Willen nicht bekommt, kriegt sie einen sehenswerten Schreikrampf auf dem Flokati.

Die Verachtung richtet sich immer gegen die persönlichen Eitelkeiten anderer, deren Roehler allerdings ebenfalls nicht ganz unverdächtig ist. („Bad Director“ ist die Verfilmung seines autobiografisch inspirierten Romans „Selbstverfickung“.) Aber bei den anderen schwillt ihm schnell der Kamm.

Das Sub-Houellebecq-Syndrom

Zwar trägt Samsa Züge seines Regisseurs, wenn auch grotesk überzeichnet und die meiste Zeit albern grimassierend. Doch sollte niemand Roehler mit seiner Figur verwechseln. (Selbst-)entlarvend ist an „Bad Director“ nichts, dafür ist der ganze Filmbetrieb zu boulevardesk, bis ins Obszöne, durchgespielt.

Da gibt es den egomanischen Jungschauspieler (Elie Kaempfen), der für die einfache Aufgabe, eine Tür zu öffnen, ein ganzes Repertoire an Mimiken parat hat. („Das war eben das Kleine-Fernsehspiel-Gesicht.“) Leinwand-Diven, die ihre besten Jahre hinter sich haben, einem freundlich ins Gesicht lächeln und hintenrum den Regisseur beim Produzenten anschwärzen. Und eine Crew, die im gefederten Subventionsbetrieb des deutschen Films zu keiner selbstständigen Entscheidung mehr fähig ist.

Das Problem von „Bad Director“, natürlich ebenfalls üppig gefördert, liegt hingegen darin, dass bei Roehler inzwischen eher zu wenig reingeredet wird. Die ganze Misanthropie, eine Art Sub-Houellebecq-Syndrom, bricht sich ungebrochen Bahn. Am Set interessiert Gregor Samsa nur noch die Lieferung Rohypnol, die seine Produktionsassistentin ihm besorgen sollte – und die sich dann doch nur als Beruhigungsmittel herausstellt.

Sein neues Lieblingsprojekt hat dann auch mehr mit Eugenik als mit Filmkunst zu tun. Gregor will die ukrainische Sexarbeiterin (Bella Dayne), die ihm beim dirty talk die „schwanzgeile Suhrkamp-Lektorin“ gibt, mit dem schwarzen Hotelpagen für eine neue Superrasse kreuzen. Auf den obligatorischen Nazi-Witz muss man bei Roehler diesmal bis zum Schluss warten.

Natürlich legt Roehler es darauf an, dass ein gewisser Schlag von Kritikern sich über seine Filme empört. Zum Filmpreis wird er auch nicht mehr eingeladen. Wenn die Provokation inzwischen aber der einzige Grund für diese Arbeitsverweigerung von einem Kinofilm ist, warum sucht sich der Regisseur dann nicht einfach ein nettes Hobby?

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