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Ausstellung: Kunst der späten DDR auf Burg Beeskow

Im Kunstarchiv Beeskow sind mehr als 1500 Gemälde aus der Spätzeit der DDR gestrandet. 25 ausgewählte Großformate werden jetzt ausgestellt.

Rauchend lehnt der Künstler an einer Schranke und schaut missmutig aus dem Bild. Hinter ihm versperrt ein Schutzmann die Straße, weiße Tauben flattern auf. Von der Litfaßsäule überwacht ein Riesenauge die Passanten. Bleierne Endzeitstimmung liest man aus dem Gemälde, das der 24-jährige Student Neo Rauch 1984 schuf und das die FDJ damals ankaufte. Unter den Figurenbildern des letzten DDR-Jahrzehnts, die auf Burg Beeskow gezeigt werden, ist das Gemälde eine der am wenigsten verklausulierten Szenen. Ein Stück unmittelbares Lebensgefühl scheint darin aufzublitzen. Heute will der Malerstar Neo Rauch von solchen, wie er findet, „epigonalen“ Frühwerken nichts mehr wissen. Sein Oeuvre lässt er lieber, wie jüngst auf der Doppelretrospektive in Leipzig und München, mit seinem reifen, verrätselten Malstil ab 1993 einsetzen.

Mehr als 1500 Gemälde sowie 20 000 weitere Werke aus dem Besitz der Parteien und Massenorganisationen der DDR und des Berliner Magistrats sind im Kunstarchiv Beeskow gestrandet. Dass in den Achtzigern die Ära der realsozialistischen Staatskunst mit linientreuem Optimismus und Arbeiterpathos endgültig vorbei war, dokumentieren die ausgewählten 25 Großformate von Winfried Wolk bis Hubertus Giebe. Es durfte wild gemalt, Probleme der Gesellschaft auf die Leinwand auslagert werden. Mit expressivem Malduktus und hohem inhaltlichem Anspruch gingen die Künstler in ihren wuchtigen Großformaten zu Werke. Da öffnet Kassandra ihren Mund zum stummen Schrei, Barrikadenkämpfe toben in giftigem Türkis, Pink und Gelb. Ein Punk mit grell gefärbtem Schopf spaziert frech wie ein Hofnarr durchs Leipziger Centrum-Warenhaus.

Mit großen Gesten und figurenreichen Inszenierungen knüpfen die Bilder an die Tradition der Historienmalerei an, zitieren Daumier und Delacroix, Otto Dix und Max Beckmann. Die „BilderBühnen“, so der Ausstellungstitel, zeigen eine Welt in Auflösung, verstrickt in aussichtslose Kämpfe, gebeutelt von Ängsten, Wahnvorstellungen und Aggressionen. Angesichts von so viel Theatralik passt es, dass im Katalog Theaterleute wie der Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, Thomas Oberender, oder der Theaterkritiker Hartmut Krug zu Wort kommen. Doch wer will all die bedeutungsschweren Anspielungen, verfremdeten Allegorien und Tarnkappenspiele heute noch entschlüsseln? Ein Narr im Schellenkostüm erzählt den Kindern eine Geschichte: Auch dieses scheinbar harmlose Gemälde von Andreas Schmidt lässt sich als Gleichnis auf die Rolle der Kunst in der DDR lesen – zugleich als Allegorie der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse im Land. Den Blick ins Freie schirmt eine massive rote Wand ab. Elke Linda Buchholz

Burg Beeskow, bis 22. Mai 2011; Katalog 14,50 €

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